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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Haut und Haar des Menschen.

Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die
Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf
nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir
nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu-
guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens
waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd-
licher kupferne Färbungen häufiger wurden1). Unter den Gliedern
der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den
Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten
gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der
Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter
wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur-
sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen
Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden2). Dass nicht die
Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus,
dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine
Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die
Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun-
kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor-
aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be-
wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des
Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den
Bewohnern der Hochebnen Enarea's und Kaffa's3). Allein andre
Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe-
wohner lichter angetroffen4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass
das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt
werde, die Bergluft aber dunkele5). Noch entschiedener spricht
die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der
Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die
Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die
Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune
Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten
erscheint6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der

1) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.
2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151--152.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49--50.
4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155.
5) Ausland. 1869. S. 954.
6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.
Haut und Haar des Menschen.

Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die
Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf
nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir
nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu-
guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens
waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd-
licher kupferne Färbungen häufiger wurden1). Unter den Gliedern
der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den
Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten
gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der
Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter
wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur-
sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen
Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden2). Dass nicht die
Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus,
dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine
Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die
Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun-
kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor-
aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be-
wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des
Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den
Bewohnern der Hochebnen Enarea’s und Kaffa’s3). Allein andre
Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe-
wohner lichter angetroffen4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass
das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt
werde, die Bergluft aber dunkele5). Noch entschiedener spricht
die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der
Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die
Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die
Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune
Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten
erscheint6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der

1) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52.
2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151—152.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49—50.
4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155.
5) Ausland. 1869. S. 954.
6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.
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[94/0112] Haut und Haar des Menschen. Dass die Polhöhe auf eine noch unerforschte Weise die Färbung der Haut bis zu einem mässigen Betrage beherrscht, darf nicht gänzlich verneint werden. Die tiefste Schwärze treffen wir nur in der Nähe des Aequators in Afrika, in Indien und in Neu- guinea. Die Eingebornen in der Nähe der Moretonbay Australiens waren so dunkel wie irgend ein Neger, während zehn Grad süd- licher kupferne Färbungen häufiger wurden 1). Unter den Gliedern der mittelländischen Race sind die Abessinier stark, unter den Indoeuropäern die Zigeuner und brahmanischen Hindu am meisten gedunkelt. Bei den letzteren könnte an eine Mischung mit der Urbevölkerung gedacht werden, immerhin vermochte ein Beobachter wie Graul, den Mann hoher Kaste, also den Indier arischen Ur- sprungs, unter den schwarzen Tamulen an der beinahe europäischen Helligkeit der Haut noch zu unterscheiden 2). Dass nicht die Sonnenstrahlen die Dunkelung hervorrufen, ergibt sich schon daraus, dass die bedeckten Körpertheile bei farbigen Menschen keine Unterschiede zeigen. Wäre aber die höhere Temperatur die Ursache, dann müssten wir in Tiefländern überall grössere Dun- kelung finden, als auf Hochebenen. In der That wird diese Vor- aussetzung zwar bestätigt durch einen Vergleich zwischen den Be- wohnern Bengalens und den weit helleren Gebirgsvölkern des Himalaya, und das nämliche gilt im abessinischen Afrika von den Bewohnern der Hochebnen Enarea’s und Kaffa’s 3). Allein andre Beobachter haben in denselben Erdräumen gerade die Thalbe- wohner lichter angetroffen 4) und ebenso bemerkt Munzinger, dass das heisse Ufer des rothen Meeres von hellen Menschen bewohnt werde, die Bergluft aber dunkele 5). Noch entschiedener spricht die Thatsache, dass von allen Eingebornen Amerikas, bei denen der Verdacht von Blutmischung völlig ausgeschlossen bleibt, gerade die Aymara, welche doch Hochebenen von gleicher Erhebung wie die Gipfel des Berner Oberlandes bevölkern, durch ihre schwarzbraune Farbe auffallen, die gerade in den kältesten Strichen am tiefsten erscheint 6). Andere Beobachter dachten sich die Dunkelung der 1) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 52. 2) Reise nach Ostindien. Leipzig 1855. Bd. 4. S. 151—152. 3) Waitz, Anthropologie. Bd. 1. S. 49—50. 4) Abbadie bei Quatrefages, Rapport, p. 155. 5) Ausland. 1869. S. 954. 6) v. Tschudi, Reisen durch Südamerika. Bd. 5. S. 212.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/112>, abgerufen am 29.03.2024.