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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
tzen Kappen nicht allein anzutreffen. (a) Jch rede nicht von
allen/ sondern von denen/ welche die Theologie in Erb-Pacht
genommen haben wollen. Also dürffen sich rechtschaffene
Nichtige Be-
schuldigung
wegen der
Neuerung.
Theologi dergleichen Redens-Art nicht annehmen. Siehet
aber eines Juristen reflexion anders aus/ als diese/ welche
das graue Alterthum gemacht/ so nenne man ihn darum nicht
einen Neuling und Sonderling. Horatius hat sich schon dar-
über moquiret/ daß man eine Sache bloß darum verwerffen
wolte/ weil sie neu wäre. Er meinet es käme ein solches daher/
weil viele nichts vor Recht hielten/ als was ihnen beliebte. Sie
hielten es vor nachtheilig jüngern zu folgen/ und was sie in
der Jugend gelernet/ in ihren Alter wiederum fahren zu lassen.
(b) Seneca hat solchen Recht-habern auch das Maul gestopf-
fet. Er behauptet/ daß die Nachkommen vieles einsehen

würden,
(a) Layen können
von Glaubens-
Sachen ur-
theilen.
Die Schrifft hat uns GOTT nicht darum gegeben, daß wir nach ande-
rer ihren Ausspruch und Erklärung uns richten müssen. Wir sollen
selbst nachforschen, und den Weg des Heils suchen. Wir sind so gut fä-
hig von denen Glaubens-Lehren zu urtheilen, als die Priesterschafft. Ge-
scheute Theologi erkennen diese nunmehro ebenfals. Der berühmte
Theologus zu Basel, Samuel Werenfels, hat die Layen wieder die Geist-
lichkeit in diesem punct desendiret. Denn wir haben von ihm eine disser-
tationem apologeticani pro plebe Christiana, aduersus doctores, judicium de
dogmatibus fidei ei auferentes.
Zu wünschen wäre es, daß alle Theologi,
so da meinen sie wären alleine befugt Glaubens-puncte zu entscheiden, die-
selbe mit Verstand durchgiengen.
(b) Ob neile Mei-
nungen zu ver-
werffen.
Horatius Lib. III. Ep. 1.
Indignor, quidquam reprehendi, non quia crasse
Compositum illepideue putetur, sed quia nuper,
Nec veniam antiquis, sed honorem & praemia posci.

Nach einigenfähret er fort, daß dieses die Ursache wäre:
Vel quia nil rectum, nisi quod placuit sibi ducunt,
Vel quia turpe putant, parere minoribus, & quae
Imberbes didicere, seues perdenda fateri.

Vorbericht von der Juriſten
tzen Kappen nicht allein anzutreffen. (a) Jch rede nicht von
allen/ ſondern von denen/ welche die Theologie in Erb-Pacht
genommen haben wollen. Alſo duͤrffen ſich rechtſchaffene
Nichtige Be-
ſchuldigung
wegen der
Neuerung.
Theologi dergleichen Redens-Art nicht annehmen. Siehet
aber eines Juriſten reflexion anders aus/ als dieſe/ welche
das graue Alterthum gemacht/ ſo nenne man ihn darum nicht
einen Neuling und Sonderling. Horatius hat ſich ſchon dar-
uͤber moquiret/ daß man eine Sache bloß darum verwerffen
wolte/ weil ſie neu waͤre. Er meinet es kaͤme ein ſolches daher/
weil viele nichts vor Recht hielten/ als was ihnen beliebte. Sie
hielten es vor nachtheilig juͤngern zu folgen/ und was ſie in
der Jugend gelernet/ in ihren Alter wiederum fahren zu laſſen.
(b) Seneca hat ſolchen Recht-habern auch das Maul geſtopf-
fet. Er behauptet/ daß die Nachkommen vieles einſehen

wuͤrden,
(a) Layen koͤnnen
von Glaubens-
Sachen ur-
theilen.
Die Schrifft hat uns GOTT nicht darum gegeben, daß wir nach ande-
rer ihren Ausſpruch und Erklaͤrung uns richten muͤſſen. Wir ſollen
ſelbſt nachforſchen, und den Weg des Heils ſuchen. Wir ſind ſo gut faͤ-
hig von denen Glaubens-Lehren zu urtheilen, als die Prieſterſchafft. Ge-
ſcheute Theologi erkennen dieſe nunmehro ebenfals. Der beruͤhmte
Theologus zu Baſel, Samuel Werenfels, hat die Layen wieder die Geiſt-
lichkeit in dieſem punct deſendiret. Denn wir haben von ihm eine diſſer-
tationem apologeticani pro plebe Chriſtiana, aduerſus doctores, judicium de
dogmatibus fidei ei auferentes.
Zu wuͤnſchen waͤre es, daß alle Theologi,
ſo da meinen ſie waͤren alleine befugt Glaubens-puncte zu entſcheiden, die-
ſelbe mit Verſtand durchgiengen.
(b) Ob neile Mei-
nungen zu ver-
werffen.
Horatius Lib. III. Ep. 1.
Indignor, quidquam reprehendi, non quia craſſe
Compoſitum illepideue putetur, ſed quia nuper,
Nec veniam antiquis, ſed honorem & præmia poſci.

Nach einigenfaͤhret er fort, daß dieſes die Urſache waͤre:
Vel quia nil rectum, niſi quod placuit ſibi ducunt,
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[14/0033] Vorbericht von der Juriſten tzen Kappen nicht allein anzutreffen. (a) Jch rede nicht von allen/ ſondern von denen/ welche die Theologie in Erb-Pacht genommen haben wollen. Alſo duͤrffen ſich rechtſchaffene Theologi dergleichen Redens-Art nicht annehmen. Siehet aber eines Juriſten reflexion anders aus/ als dieſe/ welche das graue Alterthum gemacht/ ſo nenne man ihn darum nicht einen Neuling und Sonderling. Horatius hat ſich ſchon dar- uͤber moquiret/ daß man eine Sache bloß darum verwerffen wolte/ weil ſie neu waͤre. Er meinet es kaͤme ein ſolches daher/ weil viele nichts vor Recht hielten/ als was ihnen beliebte. Sie hielten es vor nachtheilig juͤngern zu folgen/ und was ſie in der Jugend gelernet/ in ihren Alter wiederum fahren zu laſſen. (b) Seneca hat ſolchen Recht-habern auch das Maul geſtopf- fet. Er behauptet/ daß die Nachkommen vieles einſehen wuͤrden, Nichtige Be- ſchuldigung wegen der Neuerung. (a) Die Schrifft hat uns GOTT nicht darum gegeben, daß wir nach ande- rer ihren Ausſpruch und Erklaͤrung uns richten muͤſſen. Wir ſollen ſelbſt nachforſchen, und den Weg des Heils ſuchen. Wir ſind ſo gut faͤ- hig von denen Glaubens-Lehren zu urtheilen, als die Prieſterſchafft. Ge- ſcheute Theologi erkennen dieſe nunmehro ebenfals. Der beruͤhmte Theologus zu Baſel, Samuel Werenfels, hat die Layen wieder die Geiſt- lichkeit in dieſem punct deſendiret. Denn wir haben von ihm eine diſſer- tationem apologeticani pro plebe Chriſtiana, aduerſus doctores, judicium de dogmatibus fidei ei auferentes. Zu wuͤnſchen waͤre es, daß alle Theologi, ſo da meinen ſie waͤren alleine befugt Glaubens-puncte zu entſcheiden, die- ſelbe mit Verſtand durchgiengen. (b) Horatius Lib. III. Ep. 1. Indignor, quidquam reprehendi, non quia craſſe Compoſitum illepideue putetur, ſed quia nuper, Nec veniam antiquis, ſed honorem & præmia poſci. Nach einigenfaͤhret er fort, daß dieſes die Urſache waͤre: Vel quia nil rectum, niſi quod placuit ſibi ducunt, Vel quia turpe putant, parere minoribus, & quæ Imberbes didicere, ſeues perdenda fateri.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/33>, abgerufen am 19.04.2024.