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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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"sagte der Apostel, das heisset aber, fristet
"euer Leben länger; das ist die Zeit. Dazu
"fodern nun die besten Kaufbuden der Zeit, die
"Apotheken, daß der Mensch nach dem Punch
"royal zu Bette gehe und unmäßig schwitze." --

Wie wurd' es jetzt anders! -- Da ihm Ze¬
sara freudig um den Hals fiel -- da der Ju¬
gend-Rausch zu Liebesmelodieen wurde, wie der
Regen in der Höhle zu Derbyshire von ferne
zu Harmonien -- da dem Grafen süß, wie man
sich schlummernd verblutet, das ganze Innere,
sein ganzes voriges Leben von der Lippe floß
und alle Plane des künftigen, sogar die stolze¬
sten (nur der zärteste nicht) -- und da er sich,
wie (nach der Burignon) Adam im Unschulds-
Stand, so krystallen-durchsichtig vor das be¬
freundete Auge stellte, nicht aus Schwäche son¬
dern aus altem Drang und im Glauben, so
müsse der Freund seyn: so traten dem unglück¬
lichen Roquairol helle Thränen der liebevoll¬
sten Bewunderung über die ungeschminkte Rein¬
heit und über die energische, gläubige, noch in
nichts schwankende Natur und über den fast
zum Lächeln reizenden naiven hohen Ernst des

„ſagte der Apoſtel, das heiſſet aber, friſtet
„euer Leben länger; das iſt die Zeit. Dazu
„fodern nun die beſten Kaufbuden der Zeit, die
„Apotheken, daß der Menſch nach dem Punch
royal zu Bette gehe und unmäßig ſchwitze.“ —

Wie wurd' es jetzt anders! — Da ihm Ze¬
ſara freudig um den Hals fiel — da der Ju¬
gend-Rauſch zu Liebesmelodieen wurde, wie der
Regen in der Höhle zu Derbyſhire von ferne
zu Harmonien — da dem Grafen ſüß, wie man
ſich ſchlummernd verblutet, das ganze Innere,
ſein ganzes voriges Leben von der Lippe floß
und alle Plane des künftigen, ſogar die ſtolze¬
ſten (nur der zärteſte nicht) — und da er ſich,
wie (nach der Burignon) Adam im Unſchulds-
Stand, ſo kryſtallen-durchſichtig vor das be¬
freundete Auge ſtellte, nicht aus Schwäche ſon¬
dern aus altem Drang und im Glauben, ſo
müſſe der Freund ſeyn: ſo traten dem unglück¬
lichen Roquairol helle Thränen der liebevoll¬
ſten Bewunderung über die ungeſchminkte Rein¬
heit und über die energiſche, gläubige, noch in
nichts ſchwankende Natur und über den faſt
zum Lächeln reizenden naiven hohen Ernſt des

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[28/0036] „ſagte der Apoſtel, das heiſſet aber, friſtet „euer Leben länger; das iſt die Zeit. Dazu „fodern nun die beſten Kaufbuden der Zeit, die „Apotheken, daß der Menſch nach dem Punch „royal zu Bette gehe und unmäßig ſchwitze.“ — Wie wurd' es jetzt anders! — Da ihm Ze¬ ſara freudig um den Hals fiel — da der Ju¬ gend-Rauſch zu Liebesmelodieen wurde, wie der Regen in der Höhle zu Derbyſhire von ferne zu Harmonien — da dem Grafen ſüß, wie man ſich ſchlummernd verblutet, das ganze Innere, ſein ganzes voriges Leben von der Lippe floß und alle Plane des künftigen, ſogar die ſtolze¬ ſten (nur der zärteſte nicht) — und da er ſich, wie (nach der Burignon) Adam im Unſchulds- Stand, ſo kryſtallen-durchſichtig vor das be¬ freundete Auge ſtellte, nicht aus Schwäche ſon¬ dern aus altem Drang und im Glauben, ſo müſſe der Freund ſeyn: ſo traten dem unglück¬ lichen Roquairol helle Thränen der liebevoll¬ ſten Bewunderung über die ungeſchminkte Rein¬ heit und über die energiſche, gläubige, noch in nichts ſchwankende Natur und über den faſt zum Lächeln reizenden naiven hohen Ernſt des

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/36>, abgerufen am 18.04.2024.