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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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heiter ofnen griechischen Tempel, nicht wie spä¬
ter in einer engen gothischen Kapelle.

Herrlich und reich schimmerte jetzt um Al¬
bano das Leben mit Inseln und Schiffen be¬
deckt; er hatte die ganze Brust voll Freund¬
schaft und Jugend, und durfte die drängende
Kraft der Liebe, die auf Isola bella an einer
Statue, am Vater zurückprallte, nun ungebän¬
digt und fröhlich auf einen Menschen stürmen
lassen, der ihm völlig so erschien, wie ihn der
Jünglingstraum entwirft. Er konnte kei¬
nen Tag von Karl lassen -- er deckte ihm
seine Seele auf und sein ganzes Leben (nur
Lianens Name stieg tiefer in sein Herz zu¬
rück) -- alle Vorbilder der Freundschaft unter
den Alten wollt' er nachbilden und erneuern
und alles thun und leiden für seinen Gelieb¬
ten -- sein Daseyn war jetzt ein Doppelchor,
er trank jedes Glück mit zwei Herzen, sein Le¬
ben schloß ein doppelter Himmel in lauter
Äther ein.

Als er am andern Tage die befreundete
feste Gestalt antraf, die ihm aus dem nächt¬
lichen Specktakelstück der Geisterwelt übrig ge¬

heiter ofnen griechiſchen Tempel, nicht wie ſpä¬
ter in einer engen gothiſchen Kapelle.

Herrlich und reich ſchimmerte jetzt um Al¬
bano das Leben mit Inſeln und Schiffen be¬
deckt; er hatte die ganze Bruſt voll Freund¬
ſchaft und Jugend, und durfte die drängende
Kraft der Liebe, die auf Isola bella an einer
Statue, am Vater zurückprallte, nun ungebän¬
digt und fröhlich auf einen Menſchen ſtürmen
laſſen, der ihm völlig ſo erſchien, wie ihn der
Jünglingstraum entwirft. Er konnte kei¬
nen Tag von Karl laſſen — er deckte ihm
ſeine Seele auf und ſein ganzes Leben (nur
Lianens Name ſtieg tiefer in ſein Herz zu¬
rück) — alle Vorbilder der Freundſchaft unter
den Alten wollt' er nachbilden und erneuern
und alles thun und leiden für ſeinen Gelieb¬
ten — ſein Daſeyn war jetzt ein Doppelchor,
er trank jedes Glück mit zwei Herzen, ſein Le¬
ben ſchloß ein doppelter Himmel in lauter
Äther ein.

Als er am andern Tage die befreundete
feſte Geſtalt antraf, die ihm aus dem nächt¬
lichen Specktakelſtück der Geiſterwelt übrig ge¬

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[2/0010] heiter ofnen griechiſchen Tempel, nicht wie ſpä¬ ter in einer engen gothiſchen Kapelle. Herrlich und reich ſchimmerte jetzt um Al¬ bano das Leben mit Inſeln und Schiffen be¬ deckt; er hatte die ganze Bruſt voll Freund¬ ſchaft und Jugend, und durfte die drängende Kraft der Liebe, die auf Isola bella an einer Statue, am Vater zurückprallte, nun ungebän¬ digt und fröhlich auf einen Menſchen ſtürmen laſſen, der ihm völlig ſo erſchien, wie ihn der Jünglingstraum entwirft. Er konnte kei¬ nen Tag von Karl laſſen — er deckte ihm ſeine Seele auf und ſein ganzes Leben (nur Lianens Name ſtieg tiefer in ſein Herz zu¬ rück) — alle Vorbilder der Freundſchaft unter den Alten wollt' er nachbilden und erneuern und alles thun und leiden für ſeinen Gelieb¬ ten — ſein Daſeyn war jetzt ein Doppelchor, er trank jedes Glück mit zwei Herzen, ſein Le¬ ben ſchloß ein doppelter Himmel in lauter Äther ein. Als er am andern Tage die befreundete feſte Geſtalt antraf, die ihm aus dem nächt¬ lichen Specktakelſtück der Geiſterwelt übrig ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/10>, abgerufen am 19.04.2024.