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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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der Insel; aber wie griff der Schauder in seine
innersten Fibern, da nicht nur die Stimme über
ihm wieder rief: "liebe die Schöne, die ich dir
"zeige, ich helfe dir", sondern da er auch ge¬
gen die Terrasse hin eine weibliche Gestalt sich
bis an das Herz aus den tiefsten Wellen mit
langen kastanienbraunen Haaren und schwar¬
zen Augen, und mit einem glänzenden Schwa¬
nenhals und mit der Farbe und Kraft des reich¬
sten Klimas, wie eine höhere Aphrodite heben
sah. Aber in wenig Sekunden sank die Göt¬
tinn wieder in die Wogen zurück, und die Gei¬
sterstimme lispelte oben fort: "liebe die Schöne,
"die ich dir zeigte." -- -- Der Mönch betete kalt
und schweigend unter der Szene und sah und
hörte nichts, endlich sagte er: "am künftigen
"Himmelfahrtstage in deiner Geburtsstunde
"wirst du neben einem Herzen stehen, daß in
"keiner Brust ist, und deine Schwester wird
"dir vom Himmel den Namen deiner Braut
"verkündigen." --

Wenn vor uns flüssigen schwachen Gestal¬
ten, die gleich Polypen und Blumen, das Licht
eines höhern Elementes nur fühlen und su¬

der Inſel; aber wie griff der Schauder in ſeine
innerſten Fibern, da nicht nur die Stimme über
ihm wieder rief: „liebe die Schöne, die ich dir
„zeige, ich helfe dir“, ſondern da er auch ge¬
gen die Terraſſe hin eine weibliche Geſtalt ſich
bis an das Herz aus den tiefſten Wellen mit
langen kaſtanienbraunen Haaren und ſchwar¬
zen Augen, und mit einem glänzenden Schwa¬
nenhals und mit der Farbe und Kraft des reich¬
ſten Klimas, wie eine höhere Aphrodite heben
ſah. Aber in wenig Sekunden ſank die Göt¬
tinn wieder in die Wogen zurück, und die Gei¬
ſterſtimme liſpelte oben fort: „liebe die Schöne,
„die ich dir zeigte.“ — — Der Mönch betete kalt
und ſchweigend unter der Szene und ſah und
hörte nichts, endlich ſagte er: „am künftigen
„Himmelfahrtstage in deiner Geburtsſtunde
„wirſt du neben einem Herzen ſtehen, daß in
„keiner Bruſt iſt, und deine Schweſter wird
„dir vom Himmel den Namen deiner Braut
„verkündigen.“ —

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ten, die gleich Polypen und Blumen, das Licht
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[78/0098] der Inſel; aber wie griff der Schauder in ſeine innerſten Fibern, da nicht nur die Stimme über ihm wieder rief: „liebe die Schöne, die ich dir „zeige, ich helfe dir“, ſondern da er auch ge¬ gen die Terraſſe hin eine weibliche Geſtalt ſich bis an das Herz aus den tiefſten Wellen mit langen kaſtanienbraunen Haaren und ſchwar¬ zen Augen, und mit einem glänzenden Schwa¬ nenhals und mit der Farbe und Kraft des reich¬ ſten Klimas, wie eine höhere Aphrodite heben ſah. Aber in wenig Sekunden ſank die Göt¬ tinn wieder in die Wogen zurück, und die Gei¬ ſterſtimme liſpelte oben fort: „liebe die Schöne, „die ich dir zeigte.“ — — Der Mönch betete kalt und ſchweigend unter der Szene und ſah und hörte nichts, endlich ſagte er: „am künftigen „Himmelfahrtstage in deiner Geburtsſtunde „wirſt du neben einem Herzen ſtehen, daß in „keiner Bruſt iſt, und deine Schweſter wird „dir vom Himmel den Namen deiner Braut „verkündigen.“ — Wenn vor uns flüſſigen ſchwachen Geſtal¬ ten, die gleich Polypen und Blumen, das Licht eines höhern Elementes nur fühlen und ſu¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/98>, abgerufen am 29.03.2024.