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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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"Model nach dem andern sich zum Essen und
"Kopiren auszubitten. -- So malte der Ma¬
"ler Calkar schöne Strümpfe, aber unmittel¬
"bar an seine eignen Beine." -- --

Der Ritter hörte so etwas mit Vergnügen
an, ob ers gleich weder belächelte noch nach¬
ahmte; ihm waren alle Farben im genialischen
Prisma erfreulich. Nur für den Baumeister
wars nicht genug im griechischen Geschmack,
und für den Lektor nicht genug im höflichen.
Letzterer kehrte sich, während Schoppe neuen
Athem zu unserer Verkleinerung holte, wie schmei¬
chelnd zum abreisenden Dian und sagte: "früher
"nahm Rom andern Ländern nur die Kunst¬
"werke hinweg, aber jetzt die -- Künstler."

Schoppe verfolgte: "Eben so sind unsere
"Statuen keine müßigen Staatsbürger auf der
"Bärenhaut, sondern sie treiben alle ein Hand¬
"werk; was Karyatiden sind, tragen Häuser,
"was Engel sind, halten Taufschüsseln, und
"heidnische Wassergötter arbeiten in Spring¬
"brunnen und gießen den Mägden das Wasser
"in die Scheffel zu." -- --

Der Graf sprach warm für uns, der Lek¬

„Model nach dem andern ſich zum Eſſen und
„Kopiren auszubitten. — So malte der Ma¬
„ler Calkar ſchöne Strümpfe, aber unmittel¬
„bar an ſeine eignen Beine.“ — —

Der Ritter hörte ſo etwas mit Vergnügen
an, ob ers gleich weder belächelte noch nach¬
ahmte; ihm waren alle Farben im genialiſchen
Priſma erfreulich. Nur für den Baumeiſter
wars nicht genug im griechiſchen Geſchmack,
und für den Lektor nicht genug im höflichen.
Letzterer kehrte ſich, während Schoppe neuen
Athem zu unſerer Verkleinerung holte, wie ſchmei¬
chelnd zum abreiſenden Dian und ſagte: „früher
„nahm Rom andern Ländern nur die Kunſt¬
werke hinweg, aber jetzt die — Künſtler.“

Schoppe verfolgte: „Eben ſo ſind unſere
„Statuen keine müßigen Staatsbürger auf der
„Bärenhaut, ſondern ſie treiben alle ein Hand¬
„werk; was Karyatiden ſind, tragen Häuſer,
„was Engel ſind, halten Taufſchüſſeln, und
„heidniſche Waſſergötter arbeiten in Spring¬
„brunnen und gießen den Mägden das Waſſer
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[70/0090] „Model nach dem andern ſich zum Eſſen und „Kopiren auszubitten. — So malte der Ma¬ „ler Calkar ſchöne Strümpfe, aber unmittel¬ „bar an ſeine eignen Beine.“ — — Der Ritter hörte ſo etwas mit Vergnügen an, ob ers gleich weder belächelte noch nach¬ ahmte; ihm waren alle Farben im genialiſchen Priſma erfreulich. Nur für den Baumeiſter wars nicht genug im griechiſchen Geſchmack, und für den Lektor nicht genug im höflichen. Letzterer kehrte ſich, während Schoppe neuen Athem zu unſerer Verkleinerung holte, wie ſchmei¬ chelnd zum abreiſenden Dian und ſagte: „früher „nahm Rom andern Ländern nur die Kunſt¬ „werke hinweg, aber jetzt die — Künſtler.“ Schoppe verfolgte: „Eben ſo ſind unſere „Statuen keine müßigen Staatsbürger auf der „Bärenhaut, ſondern ſie treiben alle ein Hand¬ „werk; was Karyatiden ſind, tragen Häuſer, „was Engel ſind, halten Taufſchüſſeln, und „heidniſche Waſſergötter arbeiten in Spring¬ „brunnen und gießen den Mägden das Waſſer „in die Scheffel zu.“ — — Der Graf ſprach warm für uns, der Lek¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/90>, abgerufen am 28.03.2024.