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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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ab umkreisenden Lebensrade in die Speiche grei¬
fen. -- Der Ritter versetzte: "ich habe dir wei¬
"ter nichts zu sagen. Die Lindenstadt (Pestiz)
"ist dir nun geöffnet; deine Mutter hatte sie
"dir verschlossen. Der Erbprinz, der bald Fürst
"seyn wird, und der Minister von Fraulay,
"der mein Freund ist, werden die deinigen
"seyn; ich glaub', es wird dir nützen, ihre Be¬
"kanntschaft zu kultiviren." --

Der scharfblickende Gaspard sah hier plötz¬
lich über des Jünglings reine offne Gestalt
wunderbare Bewegungen und heiße Rosen
fliegen, die aus der Gegenwart mit nichts zu
erklären waren und die sogleich wie getödtet
vergiengen, als er so fortfuhr: "für einen
"Mann von Stande sind gelehrte und schöne
"Wissenschaften, die für andre Endzweck sind,
"nur Mittel und Erhohlung; und so groß deine
"Neigung dafür seyn mag: so wirst du doch
"am Ende Handlungen den Vorzug vor Ge¬
"nüssen geben; du wirst dich nicht gebohren füh¬
"len, die Menschen bloß zu belehren oder zu
"belustigen, sondern zu behandeln und zu be¬
"herrschen.

ab umkreiſenden Lebensrade in die Speiche grei¬
fen. — Der Ritter verſetzte: „ich habe dir wei¬
„ter nichts zu ſagen. Die Lindenſtadt (Peſtiz)
„iſt dir nun geöffnet; deine Mutter hatte ſie
„dir verſchloſſen. Der Erbprinz, der bald Fürſt
„ſeyn wird, und der Miniſter von Fraulay,
„der mein Freund iſt, werden die deinigen
„ſeyn; ich glaub', es wird dir nützen, ihre Be¬
„kanntſchaft zu kultiviren.“ —

Der ſcharfblickende Gaſpard ſah hier plötz¬
lich über des Jünglings reine offne Geſtalt
wunderbare Bewegungen und heiße Roſen
fliegen, die aus der Gegenwart mit nichts zu
erklären waren und die ſogleich wie getödtet
vergiengen, als er ſo fortfuhr: „für einen
„Mann von Stande ſind gelehrte und ſchöne
„Wiſſenſchaften, die für andre Endzweck ſind,
„nur Mittel und Erhohlung; und ſo groß deine
„Neigung dafür ſeyn mag: ſo wirſt du doch
„am Ende Handlungen den Vorzug vor Ge¬
„nüſſen geben; du wirſt dich nicht gebohren füh¬
„len, die Menſchen bloß zu belehren oder zu
„beluſtigen, ſondern zu behandeln und zu be¬
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[62/0082] ab umkreiſenden Lebensrade in die Speiche grei¬ fen. — Der Ritter verſetzte: „ich habe dir wei¬ „ter nichts zu ſagen. Die Lindenſtadt (Peſtiz) „iſt dir nun geöffnet; deine Mutter hatte ſie „dir verſchloſſen. Der Erbprinz, der bald Fürſt „ſeyn wird, und der Miniſter von Fraulay, „der mein Freund iſt, werden die deinigen „ſeyn; ich glaub', es wird dir nützen, ihre Be¬ „kanntſchaft zu kultiviren.“ — Der ſcharfblickende Gaſpard ſah hier plötz¬ lich über des Jünglings reine offne Geſtalt wunderbare Bewegungen und heiße Roſen fliegen, die aus der Gegenwart mit nichts zu erklären waren und die ſogleich wie getödtet vergiengen, als er ſo fortfuhr: „für einen „Mann von Stande ſind gelehrte und ſchöne „Wiſſenſchaften, die für andre Endzweck ſind, „nur Mittel und Erhohlung; und ſo groß deine „Neigung dafür ſeyn mag: ſo wirſt du doch „am Ende Handlungen den Vorzug vor Ge¬ „nüſſen geben; du wirſt dich nicht gebohren füh¬ „len, die Menſchen bloß zu belehren oder zu „beluſtigen, ſondern zu behandeln und zu be¬ „herrſchen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/82>, abgerufen am 20.04.2024.