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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Auge nur kalte Blitze warf wie sein Ring-Ju¬
wel -- so schlug auf den Kastaniengipfeln, dem
heutigen Throne der Morgensonne, der leise
Mond sein frommes Auge stillend auf und dem
entflammten Albano war es an diesem kindli¬
chen und mütterlichen Wohnplatze, als schaue
der Geist seiner Mutter vom Himmel und rufe,
"ich werde weinen, wenn ihr euch nicht liebt."
Sein wallendes Herz zerfloß, und er sagte sanft
zu dem im Mondlicht bleichern Vater: "liebst
"du mich denn nicht?" -- "Lieber Alban, ver¬
"setzte der Vater, man kann dir nicht genug
"antworten -- du bist recht gut -- es ist recht
"gut." Aber mit dem Stolze der Liebe, die sich
kühn mit der väterlichen maß, ergriff er fest
die Hand mit der Larve, und sah den Ritter
mit feurigen Thränen an: "mein Sohn, ver¬
"setzte der Müde, ich habe dir heute noch viel
"zu sagen und wenig Zeit, weil ich morgen
"reise -- und ich weiß nicht, wie lange mein
"Herzklopfen mich sprechen lässet." -- Ach also
war das vorige Zeichen einer gerührten Seele
nur ein Zeichen eines nervenkranken Pulses ge¬
wesen. . . . Du armer Sohn, wie mußte vor

Auge nur kalte Blitze warf wie ſein Ring-Ju¬
wel — ſo ſchlug auf den Kaſtaniengipfeln, dem
heutigen Throne der Morgenſonne, der leiſe
Mond ſein frommes Auge ſtillend auf und dem
entflammten Albano war es an dieſem kindli¬
chen und mütterlichen Wohnplatze, als ſchaue
der Geiſt ſeiner Mutter vom Himmel und rufe,
„ich werde weinen, wenn ihr euch nicht liebt.“
Sein wallendes Herz zerfloß, und er ſagte ſanft
zu dem im Mondlicht bleichern Vater: „liebſt
„du mich denn nicht?“ — „Lieber Alban, ver¬
„ſetzte der Vater, man kann dir nicht genug
„antworten — du biſt recht gut — es iſt recht
„gut.“ Aber mit dem Stolze der Liebe, die ſich
kühn mit der väterlichen maß, ergriff er feſt
die Hand mit der Larve, und ſah den Ritter
mit feurigen Thränen an: „mein Sohn, ver¬
„ſetzte der Müde, ich habe dir heute noch viel
„zu ſagen und wenig Zeit, weil ich morgen
„reiſe — und ich weiß nicht, wie lange mein
„Herzklopfen mich ſprechen läſſet.“ — Ach alſo
war das vorige Zeichen einer gerührten Seele
nur ein Zeichen eines nervenkranken Pulſes ge¬
weſen. . . . Du armer Sohn, wie mußte vor

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[54/0074] Auge nur kalte Blitze warf wie ſein Ring-Ju¬ wel — ſo ſchlug auf den Kaſtaniengipfeln, dem heutigen Throne der Morgenſonne, der leiſe Mond ſein frommes Auge ſtillend auf und dem entflammten Albano war es an dieſem kindli¬ chen und mütterlichen Wohnplatze, als ſchaue der Geiſt ſeiner Mutter vom Himmel und rufe, „ich werde weinen, wenn ihr euch nicht liebt.“ Sein wallendes Herz zerfloß, und er ſagte ſanft zu dem im Mondlicht bleichern Vater: „liebſt „du mich denn nicht?“ — „Lieber Alban, ver¬ „ſetzte der Vater, man kann dir nicht genug „antworten — du biſt recht gut — es iſt recht „gut.“ Aber mit dem Stolze der Liebe, die ſich kühn mit der väterlichen maß, ergriff er feſt die Hand mit der Larve, und ſah den Ritter mit feurigen Thränen an: „mein Sohn, ver¬ „ſetzte der Müde, ich habe dir heute noch viel „zu ſagen und wenig Zeit, weil ich morgen „reiſe — und ich weiß nicht, wie lange mein „Herzklopfen mich ſprechen läſſet.“ — Ach alſo war das vorige Zeichen einer gerührten Seele nur ein Zeichen eines nervenkranken Pulſes ge¬ weſen. . . . Du armer Sohn, wie mußte vor

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/74>, abgerufen am 25.04.2024.