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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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terte er den Baum, um sich wenigstens zu er¬
müden. Aber wie dehnte sich die Welt vor
ihm aus mit Bergen, mit Inseln und Wäl¬
dern, da er das donnernde Gewölke über Roms
sieben Hügeln liegen sah, gleichsam als rede
aus dem Dunkel noch der alte Geist, der in
den Hügeln wie in sieben Vesuven gearbeitet
hatte, welche vor der Erde so viele Jahrhun¬
derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬
richteten Gewittern standen und sie mit glühen¬
den Strömen, mit Aschenwolken und mit
Fruchtbarkeit übergossen, bis sie sich selber zer¬
sprengten! Die Spiegelwand der Gletscher
stand wie sein Vater unzerrüttet vor der Wär¬
me des Himmels und wurde nur glänzend und
nicht warm und nicht weich -- aus dem weiten
See schienen überall die warmen Hügel wie
aus ihrem Bade auszusteigen und die kleinen
Schiffe der Menschen schienen in der Ferne
strandend zu stocken -- und im weiten Wehen um
ihn giengen die großen Geister der Vergan¬
genheit vorüber und unter ihren unsichtbaren
Tritten bogen sich nur die Wälder nieder,
aber die Blumenbeete wenig. -- Da wurde

in

terte er den Baum, um ſich wenigſtens zu er¬
müden. Aber wie dehnte ſich die Welt vor
ihm aus mit Bergen, mit Inſeln und Wäl¬
dern, da er das donnernde Gewölke über Roms
ſieben Hügeln liegen ſah, gleichſam als rede
aus dem Dunkel noch der alte Geiſt, der in
den Hügeln wie in ſieben Veſuven gearbeitet
hatte, welche vor der Erde ſo viele Jahrhun¬
derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬
richteten Gewittern ſtanden und ſie mit glühen¬
den Strömen, mit Aſchenwolken und mit
Fruchtbarkeit übergoſſen, bis ſie ſich ſelber zer¬
ſprengten! Die Spiegelwand der Gletſcher
ſtand wie ſein Vater unzerrüttet vor der Wär¬
me des Himmels und wurde nur glänzend und
nicht warm und nicht weich — aus dem weiten
See ſchienen überall die warmen Hügel wie
aus ihrem Bade auszuſteigen und die kleinen
Schiffe der Menſchen ſchienen in der Ferne
ſtrandend zu ſtocken — und im weiten Wehen um
ihn giengen die großen Geiſter der Vergan¬
genheit vorüber und unter ihren unſichtbaren
Tritten bogen ſich nur die Wälder nieder,
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[48/0068] terte er den Baum, um ſich wenigſtens zu er¬ müden. Aber wie dehnte ſich die Welt vor ihm aus mit Bergen, mit Inſeln und Wäl¬ dern, da er das donnernde Gewölke über Roms ſieben Hügeln liegen ſah, gleichſam als rede aus dem Dunkel noch der alte Geiſt, der in den Hügeln wie in ſieben Veſuven gearbeitet hatte, welche vor der Erde ſo viele Jahrhun¬ derte lang mit feurigen Säulen, mit aufge¬ richteten Gewittern ſtanden und ſie mit glühen¬ den Strömen, mit Aſchenwolken und mit Fruchtbarkeit übergoſſen, bis ſie ſich ſelber zer¬ ſprengten! Die Spiegelwand der Gletſcher ſtand wie ſein Vater unzerrüttet vor der Wär¬ me des Himmels und wurde nur glänzend und nicht warm und nicht weich — aus dem weiten See ſchienen überall die warmen Hügel wie aus ihrem Bade auszuſteigen und die kleinen Schiffe der Menſchen ſchienen in der Ferne ſtrandend zu ſtocken — und im weiten Wehen um ihn giengen die großen Geiſter der Vergan¬ genheit vorüber und unter ihren unſichtbaren Tritten bogen ſich nur die Wälder nieder, aber die Blumenbeete wenig. — Da wurde in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/68>, abgerufen am 29.03.2024.