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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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nes Gezweigs gelegt. Wenn ihn nun so
die schwankende Lusthecke zwischen dem Gau¬
keln der Lilienschmetterlinge und dem Summen
der Bienen und Mücken und dem Nebeln der
Blüthen schaukelte und wenn ihn der aufge¬
blähte Wipfel bald unter fettes Grün versenk¬
te, bald vor tiefes Blau und bald vor Son¬
nenblitze drehte: dann zog seine Phantasie den
Baum riesenhaft empor, er wuchs allein im
Universum gleichsam als sey er der Baum des
unendlichen Lebens, seine Wurzeln stiegen in
den Abgrund, die weissen und rothen Wolken
hiengen als Blüthen in ihm, der Mond als
eine Frucht, die kleinen Sterne blitzten wie
Thau und Albano ruhte in seinem unendlichen
Gipfel und ein Sturm bog den Gipfel aus
dem Tag in die Nacht, und aus der Nacht in
den Tag. -- --

Er sah jetzt zu einer hohen Zypresse empor.
In Rom war aus dem Mittags-Schlaf ein
Südostwehen aufgestanden und hatte sich un¬
terwegs fliegend in Limoniengipfeln und in
tausend Bächen und Schatten gekühlt und lag
nun gewiegt auf Zypressenarmen. Da erklet¬

nes Gezweigs gelegt. Wenn ihn nun ſo
die ſchwankende Luſthecke zwiſchen dem Gau¬
keln der Lilienſchmetterlinge und dem Summen
der Bienen und Mücken und dem Nebeln der
Blüthen ſchaukelte und wenn ihn der aufge¬
blähte Wipfel bald unter fettes Grün verſenk¬
te, bald vor tiefes Blau und bald vor Son¬
nenblitze drehte: dann zog ſeine Phantaſie den
Baum rieſenhaft empor, er wuchs allein im
Univerſum gleichſam als ſey er der Baum des
unendlichen Lebens, ſeine Wurzeln ſtiegen in
den Abgrund, die weiſſen und rothen Wolken
hiengen als Blüthen in ihm, der Mond als
eine Frucht, die kleinen Sterne blitzten wie
Thau und Albano ruhte in ſeinem unendlichen
Gipfel und ein Sturm bog den Gipfel aus
dem Tag in die Nacht, und aus der Nacht in
den Tag. — —

Er ſah jetzt zu einer hohen Zypreſſe empor.
In Rom war aus dem Mittags-Schlaf ein
Südoſtwehen aufgeſtanden und hatte ſich un¬
terwegs fliegend in Limoniengipfeln und in
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[47/0067] nes Gezweigs gelegt. Wenn ihn nun ſo die ſchwankende Luſthecke zwiſchen dem Gau¬ keln der Lilienſchmetterlinge und dem Summen der Bienen und Mücken und dem Nebeln der Blüthen ſchaukelte und wenn ihn der aufge¬ blähte Wipfel bald unter fettes Grün verſenk¬ te, bald vor tiefes Blau und bald vor Son¬ nenblitze drehte: dann zog ſeine Phantaſie den Baum rieſenhaft empor, er wuchs allein im Univerſum gleichſam als ſey er der Baum des unendlichen Lebens, ſeine Wurzeln ſtiegen in den Abgrund, die weiſſen und rothen Wolken hiengen als Blüthen in ihm, der Mond als eine Frucht, die kleinen Sterne blitzten wie Thau und Albano ruhte in ſeinem unendlichen Gipfel und ein Sturm bog den Gipfel aus dem Tag in die Nacht, und aus der Nacht in den Tag. — — Er ſah jetzt zu einer hohen Zypreſſe empor. In Rom war aus dem Mittags-Schlaf ein Südoſtwehen aufgeſtanden und hatte ſich un¬ terwegs fliegend in Limoniengipfeln und in tauſend Bächen und Schatten gekühlt und lag nun gewiegt auf Zypreſſenarmen. Da erklet¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/67>, abgerufen am 25.04.2024.