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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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durchschwebet, mit den Thränen, die es benetzet
hatten und mit den Träumen, die kein Herz ver¬
gisset und mit der heiligen Gestalt, die ewig in
seinem bleibt? -- Die Hand ihres Bruders hielt
er jetzt so fest; der Liebe und der Freundschaft, die¬
sen zwei Brennpunkten in der Ellypse der Lebens¬
bahn, war er so nahe; -- ungestüm umfassete er
den Bruder mit den Worten: "bei Gott, sag' ich
"dir, die so du genannt, geht mich nichts an --
"und sie wird es nie."

"Aber, Albano, du kennst sie ja nicht?"
sagte Karl viel zu hart fortfragend; denn der
edle Jüngling neben ihm war zu blöde und
zu fest, dem Verwandten der Geliebten --
einem Fremden viel leichter -- das Heiligthum
seiner Wünsche auszuschließen. "O martere du
"mich nicht! (antwortete er empfindlich; aber er
"setzte sanfter hinzu) glaube mir doch das
"erstemal, mein guter Bruder!" -- Karl gab
eben so selten nach wie er und sagte, obwohl
den Fragton verschluckend und recht liebend,
doch dieses: "bei meiner Seeligkeit, ich thu'
"es; und mit Freude -- ein Herz muß herrlich¬
"geliebt und göttlich-glücklich seyn, das ein sol¬
"ches entbehren kann." Ach weiß denn das

durchſchwebet, mit den Thränen, die es benetzet
hatten und mit den Träumen, die kein Herz ver¬
giſſet und mit der heiligen Geſtalt, die ewig in
ſeinem bleibt? — Die Hand ihres Bruders hielt
er jetzt ſo feſt; der Liebe und der Freundſchaft, die¬
ſen zwei Brennpunkten in der Ellypſe der Lebens¬
bahn, war er ſo nahe; — ungeſtüm umfaſſete er
den Bruder mit den Worten: „bei Gott, ſag' ich
„dir, die ſo du genannt, geht mich nichts an —
„und ſie wird es nie.“

„Aber, Albano, du kennſt ſie ja nicht?“
ſagte Karl viel zu hart fortfragend; denn der
edle Jüngling neben ihm war zu blöde und
zu feſt, dem Verwandten der Geliebten —
einem Fremden viel leichter — das Heiligthum
ſeiner Wünſche auszuſchließen. „O martere du
„mich nicht! (antwortete er empfindlich; aber er
„ſetzte ſanfter hinzu) glaube mir doch das
„erſtemal, mein guter Bruder!“ — Karl gab
eben ſo ſelten nach wie er und ſagte, obwohl
den Fragton verſchluckend und recht liebend,
doch dieſes: „bei meiner Seeligkeit, ich thu'
„es; und mit Freude — ein Herz muß herrlich¬
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„ches entbehren kann.“ Ach weiß denn das

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[515/0535] durchſchwebet, mit den Thränen, die es benetzet hatten und mit den Träumen, die kein Herz ver¬ giſſet und mit der heiligen Geſtalt, die ewig in ſeinem bleibt? — Die Hand ihres Bruders hielt er jetzt ſo feſt; der Liebe und der Freundſchaft, die¬ ſen zwei Brennpunkten in der Ellypſe der Lebens¬ bahn, war er ſo nahe; — ungeſtüm umfaſſete er den Bruder mit den Worten: „bei Gott, ſag' ich „dir, die ſo du genannt, geht mich nichts an — „und ſie wird es nie.“ „Aber, Albano, du kennſt ſie ja nicht?“ ſagte Karl viel zu hart fortfragend; denn der edle Jüngling neben ihm war zu blöde und zu feſt, dem Verwandten der Geliebten — einem Fremden viel leichter — das Heiligthum ſeiner Wünſche auszuſchließen. „O martere du „mich nicht! (antwortete er empfindlich; aber er „ſetzte ſanfter hinzu) glaube mir doch das „erſtemal, mein guter Bruder!“ — Karl gab eben ſo ſelten nach wie er und ſagte, obwohl den Fragton verſchluckend und recht liebend, doch dieſes: „bei meiner Seeligkeit, ich thu' „es; und mit Freude — ein Herz muß herrlich¬ „geliebt und göttlich-glücklich ſeyn, das ein ſol¬ „ches entbehren kann.“ Ach weiß denn das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/535>, abgerufen am 19.04.2024.