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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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laufen -- der kalte Höllenstein des Schauders
zog sein Herz zusammen; er stand; -- der Lei¬
chenkopf schwebte unbeweglich über der letzten
Staffel.

Auf einmal sog das Herz wieder warmes
Blut, er wandte sich gegen den unförmlichen
Wald mit gezogenem Degen, weil er sein Leben
neben dem bewaffneten Tode vorbeitrug. Er
folgte in der Finsterniß der grünenden Thürme
dem Getöse des unterirrdischen Flusses und dem
Wiegen des Bodens. Zum Unglück sah er sich
wieder um und der Leichenkopf stand noch hin¬
ter ihm, aber hoch in den Lüften auf dem
Rumpfe eines Riesen. -- -- Der höchste Schau¬
der trieb ihn allzeit mit zugedrückten Augen
auf ein Schreckbild los; er rief zweimal durch
den hallenden Wald: wer ist da? Aber als
jetzt auf einmal ein zweiter Kopf neben dem
ersten zu stehen schien: so klebte seine Hand an
dem eiskalten Schlosse der Pforte der Todten¬
welt gefroren an und er riß sie blutig ab. --

Er floh und stürzte durch immer dichtere
Zweige endlich hinaus in einen freien Garten
und in den Glanz des Mondes; -- hier, ach

laufen — der kalte Höllenſtein des Schauders
zog ſein Herz zuſammen; er ſtand; — der Lei¬
chenkopf ſchwebte unbeweglich über der letzten
Staffel.

Auf einmal ſog das Herz wieder warmes
Blut, er wandte ſich gegen den unförmlichen
Wald mit gezogenem Degen, weil er ſein Leben
neben dem bewaffneten Tode vorbeitrug. Er
folgte in der Finſterniß der grünenden Thürme
dem Getöſe des unterirrdiſchen Fluſſes und dem
Wiegen des Bodens. Zum Unglück ſah er ſich
wieder um und der Leichenkopf ſtand noch hin¬
ter ihm, aber hoch in den Lüften auf dem
Rumpfe eines Rieſen. — — Der höchſte Schau¬
der trieb ihn allzeit mit zugedrückten Augen
auf ein Schreckbild los; er rief zweimal durch
den hallenden Wald: wer iſt da? Aber als
jetzt auf einmal ein zweiter Kopf neben dem
erſten zu ſtehen ſchien: ſo klebte ſeine Hand an
dem eiskalten Schloſſe der Pforte der Todten¬
welt gefroren an und er riß ſie blutig ab. —

Er floh und ſtürzte durch immer dichtere
Zweige endlich hinaus in einen freien Garten
und in den Glanz des Mondes; — hier, ach

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[501/0521] laufen — der kalte Höllenſtein des Schauders zog ſein Herz zuſammen; er ſtand; — der Lei¬ chenkopf ſchwebte unbeweglich über der letzten Staffel. Auf einmal ſog das Herz wieder warmes Blut, er wandte ſich gegen den unförmlichen Wald mit gezogenem Degen, weil er ſein Leben neben dem bewaffneten Tode vorbeitrug. Er folgte in der Finſterniß der grünenden Thürme dem Getöſe des unterirrdiſchen Fluſſes und dem Wiegen des Bodens. Zum Unglück ſah er ſich wieder um und der Leichenkopf ſtand noch hin¬ ter ihm, aber hoch in den Lüften auf dem Rumpfe eines Rieſen. — — Der höchſte Schau¬ der trieb ihn allzeit mit zugedrückten Augen auf ein Schreckbild los; er rief zweimal durch den hallenden Wald: wer iſt da? Aber als jetzt auf einmal ein zweiter Kopf neben dem erſten zu ſtehen ſchien: ſo klebte ſeine Hand an dem eiskalten Schloſſe der Pforte der Todten¬ welt gefroren an und er riß ſie blutig ab. — Er floh und ſtürzte durch immer dichtere Zweige endlich hinaus in einen freien Garten und in den Glanz des Mondes; — hier, ach

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/521>, abgerufen am 29.03.2024.