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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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51. Zykel.

Indeß er am Thore auf seinen Degen
wartete: lief eine Gruppe neuer Masten, (mei¬
stens Repräsentanten der Leblosigkeit, z. B. ein
Stiefel, ein Perückenstock u. s. w.) -- in die
Stadt und sie guckten verwundert den fremden
weißen langen Ritter an. Er nahm den De¬
gen mit, aber nicht den Bedienten. Übrigens
ließ ihm sein Karakter bei aller Gefahr, worein
der Besuch eines abgelegnen düstern Katakom¬
benganges und das fremde Vorauswissen die¬
ses Besuches ihn stürzen konnte, doch keine an¬
dre Wahl als die getroffne; nein, er hätte sich
lieber morden lassen als vor seinem Vater
geschämt.

Wie stieg dein Geist empor, gleich einem
Blitze, der aufwärts gegen den Himmel hinein¬
schlägt, als die große Nacht mit ihrem Heili¬
genscheine aus Steinen aufgerichtet vor dir
war! -- Unter dem Himmel giebt es keine
Angst, nur unter der Erde! Breite Schatten
legten sich ihm in den Weg nach dem Elysium,
den am Sonntage Thautropfen und Schmet¬
terlinge färbten. In der Ferne wuchsen feurige

51. Zykel.

Indeß er am Thore auf ſeinen Degen
wartete: lief eine Gruppe neuer Maſten, (mei¬
ſtens Repräſentanten der Lebloſigkeit, z. B. ein
Stiefel, ein Perückenſtock u. ſ. w.) — in die
Stadt und ſie guckten verwundert den fremden
weißen langen Ritter an. Er nahm den De¬
gen mit, aber nicht den Bedienten. Übrigens
ließ ihm ſein Karakter bei aller Gefahr, worein
der Beſuch eines abgelegnen düſtern Katakom¬
benganges und das fremde Vorauswiſſen die¬
ſes Beſuches ihn ſtürzen konnte, doch keine an¬
dre Wahl als die getroffne; nein, er hätte ſich
lieber morden laſſen als vor ſeinem Vater
geſchämt.

Wie ſtieg dein Geiſt empor, gleich einem
Blitze, der aufwärts gegen den Himmel hinein¬
ſchlägt, als die große Nacht mit ihrem Heili¬
genſcheine aus Steinen aufgerichtet vor dir
war! — Unter dem Himmel giebt es keine
Angſt, nur unter der Erde! Breite Schatten
legten ſich ihm in den Weg nach dem Elyſium,
den am Sonntage Thautropfen und Schmet¬
terlinge färbten. In der Ferne wuchſen feurige

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[498/0518] 51. Zykel. Indeß er am Thore auf ſeinen Degen wartete: lief eine Gruppe neuer Maſten, (mei¬ ſtens Repräſentanten der Lebloſigkeit, z. B. ein Stiefel, ein Perückenſtock u. ſ. w.) — in die Stadt und ſie guckten verwundert den fremden weißen langen Ritter an. Er nahm den De¬ gen mit, aber nicht den Bedienten. Übrigens ließ ihm ſein Karakter bei aller Gefahr, worein der Beſuch eines abgelegnen düſtern Katakom¬ benganges und das fremde Vorauswiſſen die¬ ſes Beſuches ihn ſtürzen konnte, doch keine an¬ dre Wahl als die getroffne; nein, er hätte ſich lieber morden laſſen als vor ſeinem Vater geſchämt. Wie ſtieg dein Geiſt empor, gleich einem Blitze, der aufwärts gegen den Himmel hinein¬ ſchlägt, als die große Nacht mit ihrem Heili¬ genſcheine aus Steinen aufgerichtet vor dir war! — Unter dem Himmel giebt es keine Angſt, nur unter der Erde! Breite Schatten legten ſich ihm in den Weg nach dem Elyſium, den am Sonntage Thautropfen und Schmet¬ terlinge färbten. In der Ferne wuchſen feurige

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/518>, abgerufen am 20.04.2024.