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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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nommenem Leibe erblicken, um es leichter zu
erstreben, weil der hohe Mensch nur an einem
hohen reift, wie man Diamanten nur an Dia¬
manten glänzend macht. -- Will hingegen ein
Litterator, ein Kleinstädter, ein Zeitungsträ¬
ger oder Zeitungsschreiber einen großen Kopf
zu Gesicht bekommen und ist er auf einen gros¬
sen Kopf eben so versessen wie auf eine Mi߬
geburt mit drei Köpfen -- oder auf einen Pabst
mit eben so viel Mützen -- oder auf einen aus¬
gestopften Haifisch -- oder auf eine Sprach- und
Buttermaschine: so thut ers nicht, weil ein
warmes, seinen innern Menschen besee¬
lendes
Ideal von einem großen Manne, Pab¬
ste, Haifische, Dreikopfe und Buttermodelle
ihn drängt und treibt, sondern weil er früh
morgens denkt: "es soll mich doch wundern,
"wie der Kauz aussieht" und weil ers abends
bei einem Glase Bier berichten will. --

Albano blickte am Ufer mit steigender Unruhe
über das glänzende Wasser nach dem heiligen
Wohnplatze der vergangnen Kindheit, der ver¬
gangnen Mutter, der weggezognen Schwester
hin -- die Freudenlieder schwammen auf den

nommenem Leibe erblicken, um es leichter zu
erſtreben, weil der hohe Menſch nur an einem
hohen reift, wie man Diamanten nur an Dia¬
manten glänzend macht. — Will hingegen ein
Litterator, ein Kleinſtädter, ein Zeitungsträ¬
ger oder Zeitungsſchreiber einen großen Kopf
zu Geſicht bekommen und iſt er auf einen gros¬
ſen Kopf eben ſo verſeſſen wie auf eine Mi߬
geburt mit drei Köpfen — oder auf einen Pabſt
mit eben ſo viel Mützen — oder auf einen aus¬
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Buttermaſchine: ſo thut ers nicht, weil ein
warmes, ſeinen innern Menſchen beſee¬
lendes
Ideal von einem großen Manne, Pab¬
ſte, Haifiſche, Dreikopfe und Buttermodelle
ihn drängt und treibt, ſondern weil er früh
morgens denkt: „es ſoll mich doch wundern,
„wie der Kauz ausſieht“ und weil ers abends
bei einem Glaſe Bier berichten will. —

Albano blickte am Ufer mit ſteigender Unruhe
über das glänzende Waſſer nach dem heiligen
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[11/0031] nommenem Leibe erblicken, um es leichter zu erſtreben, weil der hohe Menſch nur an einem hohen reift, wie man Diamanten nur an Dia¬ manten glänzend macht. — Will hingegen ein Litterator, ein Kleinſtädter, ein Zeitungsträ¬ ger oder Zeitungsſchreiber einen großen Kopf zu Geſicht bekommen und iſt er auf einen gros¬ ſen Kopf eben ſo verſeſſen wie auf eine Mi߬ geburt mit drei Köpfen — oder auf einen Pabſt mit eben ſo viel Mützen — oder auf einen aus¬ geſtopften Haifiſch — oder auf eine Sprach- und Buttermaſchine: ſo thut ers nicht, weil ein warmes, ſeinen innern Menſchen beſee¬ lendes Ideal von einem großen Manne, Pab¬ ſte, Haifiſche, Dreikopfe und Buttermodelle ihn drängt und treibt, ſondern weil er früh morgens denkt: „es ſoll mich doch wundern, „wie der Kauz ausſieht“ und weil ers abends bei einem Glaſe Bier berichten will. — Albano blickte am Ufer mit ſteigender Unruhe über das glänzende Waſſer nach dem heiligen Wohnplatze der vergangnen Kindheit, der ver¬ gangnen Mutter, der weggezognen Schweſter hin — die Freudenlieder ſchwammen auf den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/31>, abgerufen am 20.04.2024.