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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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in den Städten, wohin er eingeschrieben ist,
ganz andere und göttlichere Madonnen unter
der Hausthüre stehen als in seiner verdamm¬
ten; -- und die Jünglinge jener Städte sitzen
wieder ihrer Seits auf dem ankommenden Post¬
wagen und fahren hoffend in seine hinein. --

Ach das klingt für alles, was ich vorhabe,
viel zu rauh und roh, und mir ist als bring'
ich dem Leser statt des lebendigen fliegenden
Rosendufts nur die starre schwere dicke Porzel¬
lanrose! -- Albano, ich will dein stilles, dicht
verhangenes Herz aufdecken und aufschließen,
damit wir alle darin Lianens Heiligenbild, die
aufschwebende Raphaels Marie, aber, wie Hei¬
ligengestalten in der Leidenswoche, hinter dem
Schleier hängen sehen, den du bebend wegzie¬
hest, um es anzubeten, wenn du die Andachts¬
bücher -- die Romane -- aufschlägst und wenn
du darin die Gebete antrifst, die deiner Heili¬
gen gehören. Sogar mir wird es schwer, nicht,
wie du und die Alten, den Namen deiner
Schutzgöttinn zu verheimlichen -- über innere
Geistererscheinungen (denn äußere sind Körper¬
erscheinungen) schweiget der Seher gern neun

in den Städten, wohin er eingeſchrieben iſt,
ganz andere und göttlichere Madonnen unter
der Hausthüre ſtehen als in ſeiner verdamm¬
ten; — und die Jünglinge jener Städte ſitzen
wieder ihrer Seits auf dem ankommenden Poſt¬
wagen und fahren hoffend in ſeine hinein. —

Ach das klingt für alles, was ich vorhabe,
viel zu rauh und roh, und mir iſt als bring'
ich dem Leſer ſtatt des lebendigen fliegenden
Roſendufts nur die ſtarre ſchwere dicke Porzel¬
lanroſe! — Albano, ich will dein ſtilles, dicht
verhangenes Herz aufdecken und aufſchließen,
damit wir alle darin Lianens Heiligenbild, die
aufſchwebende Raphaels Marie, aber, wie Hei¬
ligengeſtalten in der Leidenswoche, hinter dem
Schleier hängen ſehen, den du bebend wegzie¬
heſt, um es anzubeten, wenn du die Andachts¬
bücher — die Romane — aufſchlägſt und wenn
du darin die Gebete antrifſt, die deiner Heili¬
gen gehören. Sogar mir wird es ſchwer, nicht,
wie du und die Alten, den Namen deiner
Schutzgöttinn zu verheimlichen — über innere
Geiſtererſcheinungen (denn äußere ſind Körper¬
erſcheinungen) ſchweiget der Seher gern neun

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[216/0236] in den Städten, wohin er eingeſchrieben iſt, ganz andere und göttlichere Madonnen unter der Hausthüre ſtehen als in ſeiner verdamm¬ ten; — und die Jünglinge jener Städte ſitzen wieder ihrer Seits auf dem ankommenden Poſt¬ wagen und fahren hoffend in ſeine hinein. — Ach das klingt für alles, was ich vorhabe, viel zu rauh und roh, und mir iſt als bring' ich dem Leſer ſtatt des lebendigen fliegenden Roſendufts nur die ſtarre ſchwere dicke Porzel¬ lanroſe! — Albano, ich will dein ſtilles, dicht verhangenes Herz aufdecken und aufſchließen, damit wir alle darin Lianens Heiligenbild, die aufſchwebende Raphaels Marie, aber, wie Hei¬ ligengeſtalten in der Leidenswoche, hinter dem Schleier hängen ſehen, den du bebend wegzie¬ heſt, um es anzubeten, wenn du die Andachts¬ bücher — die Romane — aufſchlägſt und wenn du darin die Gebete antrifſt, die deiner Heili¬ gen gehören. Sogar mir wird es ſchwer, nicht, wie du und die Alten, den Namen deiner Schutzgöttinn zu verheimlichen — über innere Geiſtererſcheinungen (denn äußere ſind Körper¬ erſcheinungen) ſchweiget der Seher gern neun

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/236>, abgerufen am 29.03.2024.