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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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zeigen, daß er ein wenig mehr von Litteratur
verstehe und da wisse wo der Haase liegt, als
andere Wiener (um so mehr, da er gar nichts
las, nicht einmal politische Zeitungen und Ro¬
mane, weil ihm lebendige wahre Menschen lie¬
ber waren); -- er trat daher nie ins Haus, ohne
zwei Taschen voll Romane und Verse für Ra¬
bette und Albano. Dazu half seine unendliche
Dienstbeflissenheit -- und sein kollegialisches
Wettrennen mit Wehmeier im Bilden -- und
sein Antheilnehmen am verstummenden Jüng¬
linge, dem er aus den süßen Träumen, die
der Rubin*) des glänzenden jugendlichen Le¬
bens schenkt, mit den exegetischen Traumbü¬
chern
, den Dichterwerken helfen wollte. Die
Umwälzung des Jünglings, der nun ganze
romantische Everdingens Wiesen abmähete und
ganze poetische Huysums Blumenrabatten ab¬
pflückte, auch nur leidlich zu schildern, hab' ich
jetzt wegen der oben versprochnen Wundersache
weder Zeit noch Lust; genug, daß Albano, so

*) Man glaubte sonst, daß ein Rubin ange¬
nehme Träume gebe.

zeigen, daß er ein wenig mehr von Litteratur
verſtehe und da wiſſe wo der Haaſe liegt, als
andere Wiener (um ſo mehr, da er gar nichts
las, nicht einmal politiſche Zeitungen und Ro¬
mane, weil ihm lebendige wahre Menſchen lie¬
ber waren); — er trat daher nie ins Haus, ohne
zwei Taſchen voll Romane und Verſe für Ra¬
bette und Albano. Dazu half ſeine unendliche
Dienſtbefliſſenheit — und ſein kollegialiſches
Wettrennen mit Wehmeier im Bilden — und
ſein Antheilnehmen am verſtummenden Jüng¬
linge, dem er aus den ſüßen Träumen, die
der Rubin*) des glänzenden jugendlichen Le¬
bens ſchenkt, mit den exegetiſchen Traumbü¬
chern
, den Dichterwerken helfen wollte. Die
Umwälzung des Jünglings, der nun ganze
romantiſche Everdingens Wieſen abmähete und
ganze poetiſche Huyſums Blumenrabatten ab¬
pflückte, auch nur leidlich zu ſchildern, hab' ich
jetzt wegen der oben verſprochnen Wunderſache
weder Zeit noch Luſt; genug, daß Albano, ſo

*) Man glaubte ſonſt, daß ein Rubin ange¬
nehme Träume gebe.
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[207/0227] zeigen, daß er ein wenig mehr von Litteratur verſtehe und da wiſſe wo der Haaſe liegt, als andere Wiener (um ſo mehr, da er gar nichts las, nicht einmal politiſche Zeitungen und Ro¬ mane, weil ihm lebendige wahre Menſchen lie¬ ber waren); — er trat daher nie ins Haus, ohne zwei Taſchen voll Romane und Verſe für Ra¬ bette und Albano. Dazu half ſeine unendliche Dienſtbefliſſenheit — und ſein kollegialiſches Wettrennen mit Wehmeier im Bilden — und ſein Antheilnehmen am verſtummenden Jüng¬ linge, dem er aus den ſüßen Träumen, die der Rubin *) des glänzenden jugendlichen Le¬ bens ſchenkt, mit den exegetiſchen Traumbü¬ chern, den Dichterwerken helfen wollte. Die Umwälzung des Jünglings, der nun ganze romantiſche Everdingens Wieſen abmähete und ganze poetiſche Huyſums Blumenrabatten ab¬ pflückte, auch nur leidlich zu ſchildern, hab' ich jetzt wegen der oben verſprochnen Wunderſache weder Zeit noch Luſt; genug, daß Albano, ſo *) Man glaubte ſonſt, daß ein Rubin ange¬ nehme Träume gebe.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/227>, abgerufen am 29.03.2024.