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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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dritten Nebenregenbogen des häuslichen Frie¬
dens, dem Bundeszeichen der verlaufenen Was¬
sersnoth.

-- Wahrlich, ich hab' oft den Wunsch ge¬
than -- und nachher ein Gemälde daraus ge¬
macht --, ich möchte dabei stehen können bei
allen Aussöhnungen in der Welt, weil uns
keine Liebe so tief bewegt als die wieder¬
kehrende
. Es müßte Unsterbliche rühren,
wenn sie die beladnen, vom Schicksal und von
der Schuld oft so weit auseinandergehaltnen
Menschen sähen, wie sie gleich der Valisne¬
rie*), sich vom sumpfigen Boden abreißen und
aufsteigen in ein schöneres Element und wie sie
nun in der freiern Höhe den Zwischenraum ih¬
rer Herzen überwinden und zusammenkommen.

*) Die weibliche Valisnerie liegt zusammenge¬
rollt unten im Wasser, aus welchem sie mit
der Blumenknospe aufsteht, um im Freien zu
blühen; die männliche macht sich dann vom zu
kurzen Stengel los und schwimmt mit ihrem
trocknen Blütenstaube der erstern zu. --

dritten Nebenregenbogen des häuslichen Frie¬
dens, dem Bundeszeichen der verlaufenen Was¬
ſersnoth.

— Wahrlich, ich hab' oft den Wunſch ge¬
than — und nachher ein Gemälde daraus ge¬
macht —, ich möchte dabei ſtehen können bei
allen Ausſöhnungen in der Welt, weil uns
keine Liebe ſo tief bewegt als die wieder¬
kehrende
. Es müßte Unſterbliche rühren,
wenn ſie die beladnen, vom Schickſal und von
der Schuld oft ſo weit auseinandergehaltnen
Menſchen ſähen, wie ſie gleich der Valisne¬
rie*), ſich vom ſumpfigen Boden abreißen und
aufſteigen in ein ſchöneres Element und wie ſie
nun in der freiern Höhe den Zwiſchenraum ih¬
rer Herzen überwinden und zuſammenkommen.

*) Die weibliche Valisnerie liegt zuſammenge¬
rollt unten im Waſſer, aus welchem ſie mit
der Blumenknoſpe aufſteht, um im Freien zu
blühen; die männliche macht ſich dann vom zu
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[183/0203] dritten Nebenregenbogen des häuslichen Frie¬ dens, dem Bundeszeichen der verlaufenen Was¬ ſersnoth. — Wahrlich, ich hab' oft den Wunſch ge¬ than — und nachher ein Gemälde daraus ge¬ macht —, ich möchte dabei ſtehen können bei allen Ausſöhnungen in der Welt, weil uns keine Liebe ſo tief bewegt als die wieder¬ kehrende. Es müßte Unſterbliche rühren, wenn ſie die beladnen, vom Schickſal und von der Schuld oft ſo weit auseinandergehaltnen Menſchen ſähen, wie ſie gleich der Valisne¬ rie *), ſich vom ſumpfigen Boden abreißen und aufſteigen in ein ſchöneres Element und wie ſie nun in der freiern Höhe den Zwiſchenraum ih¬ rer Herzen überwinden und zuſammenkommen. *) Die weibliche Valisnerie liegt zuſammenge¬ rollt unten im Waſſer, aus welchem ſie mit der Blumenknoſpe aufſteht, um im Freien zu blühen; die männliche macht ſich dann vom zu kurzen Stengel los und ſchwimmt mit ihrem trocknen Blütenſtaube der erſtern zu. —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/203>, abgerufen am 29.03.2024.