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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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gangenheit eine Zukunft zu bereiten, die uns
stillt -- wir hacken wie die Steindohle nach je¬
dem Glanze und tragen die Glutkohle als Gold¬
stück bei Seite und zünden damit Häuser an
-- ach mehr als eine große schöne Welt geht
unter in der Brust und läßt nichts zurück, und
gerade der Strom der höhern Menschen ver¬
springt, und befruchtet nichts, wie sich hohe
Wasserfälle zersplittern und schon weit über der
Erde verflattern. -- --

Albano empfieng die Freunde mit vergü¬
tender Zärtlichkeit; aber dem Jünglinge wurde
mit der Zunahme des Tages so öde und bange
wie einem, der seine Stube im Gasthofe aus¬
geleeret, der die Rechnung entrichtet und der
nur noch einige Minuten in dem rauhen lee¬
ren Stoppelfelde auf- und abzugehen hat, bis
die Pferde kommen. Wie fallende Körper, be¬
wegten sich in seiner heftigen Seele Entschlüsse
in jeder neuen Sekunde schneller und stärker;
er bat mit äußerer Milde aber innerer Heftig¬
keit seine Freunde, noch heute mit ihm abzurei¬
sen. -- Und so gieng er Nachmittags mit ihnen
von der stillen Kindheits-Insel ab, um durch

gangenheit eine Zukunft zu bereiten, die uns
ſtillt — wir hacken wie die Steindohle nach je¬
dem Glanze und tragen die Glutkohle als Gold¬
ſtück bei Seite und zünden damit Häuſer an
— ach mehr als eine große ſchöne Welt geht
unter in der Bruſt und läßt nichts zurück, und
gerade der Strom der höhern Menſchen ver¬
ſpringt, und befruchtet nichts, wie ſich hohe
Waſſerfälle zerſplittern und ſchon weit über der
Erde verflattern. — —

Albano empfieng die Freunde mit vergü¬
tender Zärtlichkeit; aber dem Jünglinge wurde
mit der Zunahme des Tages ſo öde und bange
wie einem, der ſeine Stube im Gaſthofe aus¬
geleeret, der die Rechnung entrichtet und der
nur noch einige Minuten in dem rauhen lee¬
ren Stoppelfelde auf- und abzugehen hat, bis
die Pferde kommen. Wie fallende Körper, be¬
wegten ſich in ſeiner heftigen Seele Entſchlüſſe
in jeder neuen Sekunde ſchneller und ſtärker;
er bat mit äußerer Milde aber innerer Heftig¬
keit ſeine Freunde, noch heute mit ihm abzurei¬
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[94/0114] gangenheit eine Zukunft zu bereiten, die uns ſtillt — wir hacken wie die Steindohle nach je¬ dem Glanze und tragen die Glutkohle als Gold¬ ſtück bei Seite und zünden damit Häuſer an — ach mehr als eine große ſchöne Welt geht unter in der Bruſt und läßt nichts zurück, und gerade der Strom der höhern Menſchen ver¬ ſpringt, und befruchtet nichts, wie ſich hohe Waſſerfälle zerſplittern und ſchon weit über der Erde verflattern. — — Albano empfieng die Freunde mit vergü¬ tender Zärtlichkeit; aber dem Jünglinge wurde mit der Zunahme des Tages ſo öde und bange wie einem, der ſeine Stube im Gaſthofe aus¬ geleeret, der die Rechnung entrichtet und der nur noch einige Minuten in dem rauhen lee¬ ren Stoppelfelde auf- und abzugehen hat, bis die Pferde kommen. Wie fallende Körper, be¬ wegten ſich in ſeiner heftigen Seele Entſchlüſſe in jeder neuen Sekunde ſchneller und ſtärker; er bat mit äußerer Milde aber innerer Heftig¬ keit ſeine Freunde, noch heute mit ihm abzurei¬ ſen. — Und ſo gieng er Nachmittags mit ihnen von der ſtillen Kindheits-Inſel ab, um durch

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/114>, abgerufen am 25.04.2024.