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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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gehörten Falkenschwingen entzückt und still durch
das dünne Leben. . . .

Ihm kam es vor als sterbe er, denn spät
war er die steigende Erwärmung des linken ver¬
blutenden Armes innen geworden, der ihn ins
lange Elysium, das aus dem Traume ins Wachen
reichte, gehoben hatte. Er legte ihm die Binde
fester um. --

Auf einmal hört' er unter dem Verbinden
ein lauteres Plätschern unter sich als bloße
Wellen machen konnten. Er schauete über das
Geländer -- und sah seinen Vater mit Dian
ohne Abschied -- der für Gaspard nur die gif¬
tige Herbstblume in der Herbstminute einer Ab¬
reise war -- wie ausgefallne Blüthenblätter aus
der Blumenkrone seines Lebens über die Wel¬
len fliehen unter dem Schwanenliede der Nachti¬
gallen! . . . Guter Mensch, wie oft hat dich
diese Nacht bethöret und beraubt! -- Er brei¬
tete die Arme ihnen nach -- der Schmerz des
Traums fuhr fort und begeisterte ihn -- der
fliehende Vater schien ihm wieder liebender --
schmerzlich rief er hinab: "Vater, sieh dich um
"nach mir! -- Ach wie kannst du mich so stumm

gehörten Falkenſchwingen entzückt und ſtill durch
das dünne Leben. . . .

Ihm kam es vor als ſterbe er, denn ſpät
war er die ſteigende Erwärmung des linken ver¬
blutenden Armes innen geworden, der ihn ins
lange Elyſium, das aus dem Traume ins Wachen
reichte, gehoben hatte. Er legte ihm die Binde
feſter um. —

Auf einmal hört' er unter dem Verbinden
ein lauteres Plätſchern unter ſich als bloße
Wellen machen konnten. Er ſchauete über das
Geländer — und ſah ſeinen Vater mit Dian
ohne Abſchied — der für Gaſpard nur die gif¬
tige Herbſtblume in der Herbſtminute einer Ab¬
reiſe war — wie ausgefallne Blüthenblätter aus
der Blumenkrone ſeines Lebens über die Wel¬
len fliehen unter dem Schwanenliede der Nachti¬
gallen! . . . Guter Menſch, wie oft hat dich
dieſe Nacht bethöret und beraubt! — Er brei¬
tete die Arme ihnen nach — der Schmerz des
Traums fuhr fort und begeiſterte ihn — der
fliehende Vater ſchien ihm wieder liebender —
ſchmerzlich rief er hinab: „Vater, ſieh dich um
„nach mir! — Ach wie kannſt du mich ſo ſtumm

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[85/0105] gehörten Falkenſchwingen entzückt und ſtill durch das dünne Leben. . . . Ihm kam es vor als ſterbe er, denn ſpät war er die ſteigende Erwärmung des linken ver¬ blutenden Armes innen geworden, der ihn ins lange Elyſium, das aus dem Traume ins Wachen reichte, gehoben hatte. Er legte ihm die Binde feſter um. — Auf einmal hört' er unter dem Verbinden ein lauteres Plätſchern unter ſich als bloße Wellen machen konnten. Er ſchauete über das Geländer — und ſah ſeinen Vater mit Dian ohne Abſchied — der für Gaſpard nur die gif¬ tige Herbſtblume in der Herbſtminute einer Ab¬ reiſe war — wie ausgefallne Blüthenblätter aus der Blumenkrone ſeines Lebens über die Wel¬ len fliehen unter dem Schwanenliede der Nachti¬ gallen! . . . Guter Menſch, wie oft hat dich dieſe Nacht bethöret und beraubt! — Er brei¬ tete die Arme ihnen nach — der Schmerz des Traums fuhr fort und begeiſterte ihn — der fliehende Vater ſchien ihm wieder liebender — ſchmerzlich rief er hinab: „Vater, ſieh dich um „nach mir! — Ach wie kannſt du mich ſo ſtumm

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/105>, abgerufen am 24.04.2024.