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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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wie er sich gegen seine müde und unschuldige Korb¬
flechterin benommen. Heute spielten wir oben im
sinesischen Häuschen. Da die Abendröthe, die ge¬
rade in sein Gesicht hineinfiel, verwirrte Schatten
unter die Figuren warf und da mich sein rechter
Zeigefinger dauerte, der von einem Säbelhiebe ei¬
ne rothe Linie hat und der auf der Schachbande
auflag: so kam ich aus Zerstreuung wahrhaftig
um meine Königin und das abscheuliche Kindtaufs¬
geläute des sinesischen Glockenspiels ließ mir fast
kein Dessein -- zum Glück kam mein Vater wieder
und half mir ein wenig ein. Ich führte ihn nach¬
her in unsern neuen Anlagen im Wäldgen herum
und er erzählte mir glaub' ich die Historie seines
linierten Fingers: er ist gegen Seines gleichen sehr
wild, aber dabei ungemein verbindlich gegen Frau¬
enzimmer.

Den 18. Jun. Seit gestern sind wir alle
etwas lustiger. Abends brachten zwei Unteroffizie¬
re fünf Rekruten und da man sagte, es wär' ein
Mensch darunter, der eine ganze geschlagene Ar¬
mee zum Lachen brächte, giengen wir alle mit hin¬
unter. Unten erzählte der Mensch gerade halb
laut einem andern Rekruten ins Ohr, er hätte

wie er ſich gegen ſeine muͤde und unſchuldige Korb¬
flechterin benommen. Heute ſpielten wir oben im
ſineſiſchen Haͤuschen. Da die Abendroͤthe, die ge¬
rade in ſein Geſicht hineinfiel, verwirrte Schatten
unter die Figuren warf und da mich ſein rechter
Zeigefinger dauerte, der von einem Saͤbelhiebe ei¬
ne rothe Linie hat und der auf der Schachbande
auflag: ſo kam ich aus Zerſtreuung wahrhaftig
um meine Koͤnigin und das abſcheuliche Kindtaufs¬
gelaͤute des ſineſiſchen Glockenſpiels ließ mir faſt
kein Deſſein — zum Gluͤck kam mein Vater wieder
und half mir ein wenig ein. Ich fuͤhrte ihn nach¬
her in unſern neuen Anlagen im Waͤldgen herum
und er erzaͤhlte mir glaub' ich die Hiſtorie ſeines
linierten Fingers: er iſt gegen Seines gleichen ſehr
wild, aber dabei ungemein verbindlich gegen Frau¬
enzimmer.

Den 18. Jun. Seit geſtern ſind wir alle
etwas luſtiger. Abends brachten zwei Unteroffizie¬
re fuͤnf Rekruten und da man ſagte, es waͤr' ein
Menſch darunter, der eine ganze geſchlagene Ar¬
mee zum Lachen braͤchte, giengen wir alle mit hin¬
unter. Unten erzaͤhlte der Menſch gerade halb
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[12/0048] wie er ſich gegen ſeine muͤde und unſchuldige Korb¬ flechterin benommen. Heute ſpielten wir oben im ſineſiſchen Haͤuschen. Da die Abendroͤthe, die ge¬ rade in ſein Geſicht hineinfiel, verwirrte Schatten unter die Figuren warf und da mich ſein rechter Zeigefinger dauerte, der von einem Saͤbelhiebe ei¬ ne rothe Linie hat und der auf der Schachbande auflag: ſo kam ich aus Zerſtreuung wahrhaftig um meine Koͤnigin und das abſcheuliche Kindtaufs¬ gelaͤute des ſineſiſchen Glockenſpiels ließ mir faſt kein Deſſein — zum Gluͤck kam mein Vater wieder und half mir ein wenig ein. Ich fuͤhrte ihn nach¬ her in unſern neuen Anlagen im Waͤldgen herum und er erzaͤhlte mir glaub' ich die Hiſtorie ſeines linierten Fingers: er iſt gegen Seines gleichen ſehr wild, aber dabei ungemein verbindlich gegen Frau¬ enzimmer. Den 18. Jun. Seit geſtern ſind wir alle etwas luſtiger. Abends brachten zwei Unteroffizie¬ re fuͤnf Rekruten und da man ſagte, es waͤr' ein Menſch darunter, der eine ganze geſchlagene Ar¬ mee zum Lachen braͤchte, giengen wir alle mit hin¬ unter. Unten erzaͤhlte der Menſch gerade halb laut einem andern Rekruten ins Ohr, er haͤtte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/48>, abgerufen am 29.03.2024.