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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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wollte ihnen vorwerfen, daß ihrem Herzen ein
Ballenbinder näher läge als ein Psalmist, ein
Seelenverkäufer näher als ein Seelenmaler und
daß das ostindische Haus keinem einzigen Poe¬
ten eine Pension auswerfen würde als bloß dem
alten Orpheus, weil seine Verse Flüsse ins Stok¬
ken sangen und man also sein Haberrohr und
seine Muse anstart der belgischen Dämme brau¬
chen könnte. Ich wollte den Niederländern den
merkantilischen Unterschied zwischen Schönheit
und Nutzen nehmen und ihnen es hinunterschrei¬
ben, daß Armeen, Fabriken, Haus, Hof, Aek¬
ker, Vieh nur das Schreib- und Arbeitszeug der
Seele wären, womit sie einige Gefühle, wor¬
auf alle Menschenthätigkeit auslaufe, errege, er¬
hebe und äußere, daß den indischen Kompagnien
Schiffe und Inseln dazu dienten, wozu den poe¬
tischen Reime und Federn dienten, und daß Phi¬
losophie und Dichtkunst die Früchte und Blüten
am Baume des Erkenntnisses wären, Oekonomie
hingegen, Kameral-philologische und ähnliche
Wissenschaften bloß die einsaugenden Blätter, der

wollte ihnen vorwerfen, daß ihrem Herzen ein
Ballenbinder naͤher laͤge als ein Pſalmiſt, ein
Seelenverkaͤufer naͤher als ein Seelenmaler und
daß das oſtindiſche Haus keinem einzigen Poe¬
ten eine Penſion auswerfen wuͤrde als bloß dem
alten Orpheus, weil ſeine Verſe Fluͤſſe ins Stok¬
ken ſangen und man alſo ſein Haberrohr und
ſeine Muſe anſtart der belgiſchen Daͤmme brau¬
chen koͤnnte. Ich wollte den Niederlaͤndern den
merkantiliſchen Unterſchied zwiſchen Schoͤnheit
und Nutzen nehmen und ihnen es hinunterſchrei¬
ben, daß Armeen, Fabriken, Haus, Hof, Aek¬
ker, Vieh nur das Schreib- und Arbeitszeug der
Seele waͤren, womit ſie einige Gefuͤhle, wor¬
auf alle Menſchenthaͤtigkeit auslaufe, errege, er¬
hebe und aͤußere, daß den indiſchen Kompagnien
Schiffe und Inſeln dazu dienten, wozu den poe¬
tiſchen Reime und Federn dienten, und daß Phi¬
loſophie und Dichtkunſt die Fruͤchte und Bluͤten
am Baume des Erkenntniſſes waͤren, Oekonomie
hingegen, Kameral-philologiſche und aͤhnliche
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[X/0022] wollte ihnen vorwerfen, daß ihrem Herzen ein Ballenbinder naͤher laͤge als ein Pſalmiſt, ein Seelenverkaͤufer naͤher als ein Seelenmaler und daß das oſtindiſche Haus keinem einzigen Poe¬ ten eine Penſion auswerfen wuͤrde als bloß dem alten Orpheus, weil ſeine Verſe Fluͤſſe ins Stok¬ ken ſangen und man alſo ſein Haberrohr und ſeine Muſe anſtart der belgiſchen Daͤmme brau¬ chen koͤnnte. Ich wollte den Niederlaͤndern den merkantiliſchen Unterſchied zwiſchen Schoͤnheit und Nutzen nehmen und ihnen es hinunterſchrei¬ ben, daß Armeen, Fabriken, Haus, Hof, Aek¬ ker, Vieh nur das Schreib- und Arbeitszeug der Seele waͤren, womit ſie einige Gefuͤhle, wor¬ auf alle Menſchenthaͤtigkeit auslaufe, errege, er¬ hebe und aͤußere, daß den indiſchen Kompagnien Schiffe und Inſeln dazu dienten, wozu den poe¬ tiſchen Reime und Federn dienten, und daß Phi¬ loſophie und Dichtkunſt die Fruͤchte und Bluͤten am Baume des Erkenntniſſes waͤren, Oekonomie hingegen, Kameral-philologiſche und aͤhnliche Wiſſenſchaften bloß die einſaugenden Blaͤtter, der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/22>, abgerufen am 29.03.2024.