Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Nerven liegen halb nackt da und stoßen sich an
alles. Ein fetter hingegen führt sie, wie Eyer
unter diesem Ueberguß gut bewahrt bey sich;
Speck schützt gegen geistige Hitze und gegen äu-
ßerliche Kälte."

Giftig redete den dicken Doktor selber das
Fräulein an, und sagte: "ich kenne doch man-
che beliebte Personen von Empfindung." --

"Von diesem Schlage, versetzte er, dürfte ich
selber seyn. Ob ich gleich als ein Mann von
Talg hier am Tafel-Ende den Fettschweif vor-
stelle, den sich das kirgisische Schaf nachfährt
auf einem Wägelchen: so hab' ich doch auch zwey
Augen und ein Schnupftuch; wie oft hab' ich
nicht unter dem heftigsten Lachen Thränen ver-
gossen! Desgleichen bey Kälte von außen. Ue-
berhaupt wie könnte man, als gefrorne Winter-
butter erscheinen, wäre man nicht äußerst weich?
Nur das Weiche kann gefrieren, Gnädige,
nicht das Harte."

Zum Glück für einen Waffenstillstand unter-
brach eben den Doktor der oben toastende Stry-
kius mit seinen Neuigkeiten. Schwer ging ihm

Nerven liegen halb nackt da und ſtoßen ſich an
alles. Ein fetter hingegen fuͤhrt ſie, wie Eyer
unter dieſem Ueberguß gut bewahrt bey ſich;
Speck ſchuͤtzt gegen geiſtige Hitze und gegen aͤu-
ßerliche Kaͤlte.”

Giftig redete den dicken Doktor ſelber das
Fraͤulein an, und ſagte: „ich kenne doch man-
che beliebte Perſonen von Empfindung.” —

„Von dieſem Schlage, verſetzte er, duͤrfte ich
ſelber ſeyn. Ob ich gleich als ein Mann von
Talg hier am Tafel-Ende den Fettſchweif vor-
ſtelle, den ſich das kirgiſiſche Schaf nachfaͤhrt
auf einem Waͤgelchen: ſo hab’ ich doch auch zwey
Augen und ein Schnupftuch; wie oft hab’ ich
nicht unter dem heftigſten Lachen Thraͤnen ver-
goſſen! Desgleichen bey Kaͤlte von außen. Ue-
berhaupt wie koͤnnte man, als gefrorne Winter-
butter erſcheinen, waͤre man nicht aͤußerſt weich?
Nur das Weiche kann gefrieren, Gnaͤdige,
nicht das Harte.”

Zum Gluͤck fuͤr einen Waffenſtillſtand unter-
brach eben den Doktor der oben toaſtende Stry-
kius mit ſeinen Neuigkeiten. Schwer ging ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" n="36"/>
Nerven liegen halb nackt da und &#x017F;toßen &#x017F;ich an<lb/>
alles. Ein fetter hingegen fu&#x0364;hrt &#x017F;ie, wie Eyer<lb/>
unter die&#x017F;em Ueberguß gut bewahrt bey &#x017F;ich;<lb/>
Speck &#x017F;chu&#x0364;tzt gegen gei&#x017F;tige Hitze und gegen a&#x0364;u-<lb/>
ßerliche Ka&#x0364;lte.&#x201D;</p><lb/>
            <p>Giftig redete den dicken Doktor &#x017F;elber das<lb/>
Fra&#x0364;ulein an, und &#x017F;agte: &#x201E;ich kenne doch man-<lb/>
che beliebte Per&#x017F;onen von Empfindung.&#x201D; &#x2014;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Von die&#x017F;em Schlage, ver&#x017F;etzte er, du&#x0364;rfte ich<lb/>
&#x017F;elber &#x017F;eyn. Ob ich gleich als ein Mann von<lb/>
Talg hier am Tafel-Ende den Fett&#x017F;chweif vor-<lb/>
&#x017F;telle, den &#x017F;ich das kirgi&#x017F;i&#x017F;che Schaf nachfa&#x0364;hrt<lb/>
auf einem Wa&#x0364;gelchen: &#x017F;o hab&#x2019; ich doch auch zwey<lb/>
Augen und ein Schnupftuch; wie oft hab&#x2019; ich<lb/>
nicht unter dem heftig&#x017F;ten Lachen Thra&#x0364;nen ver-<lb/>
go&#x017F;&#x017F;en! Desgleichen bey Ka&#x0364;lte von außen. Ue-<lb/>
berhaupt wie ko&#x0364;nnte man, als gefrorne Winter-<lb/>
butter er&#x017F;cheinen, wa&#x0364;re man nicht a&#x0364;ußer&#x017F;t weich?<lb/>
Nur das Weiche kann gefrieren, Gna&#x0364;dige,<lb/>
nicht das Harte.&#x201D;</p><lb/>
            <p>Zum Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r einen Waffen&#x017F;till&#x017F;tand unter-<lb/>
brach eben den Doktor der oben toa&#x017F;tende Stry-<lb/>
kius mit &#x017F;einen Neuigkeiten. Schwer ging ihm<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0042] Nerven liegen halb nackt da und ſtoßen ſich an alles. Ein fetter hingegen fuͤhrt ſie, wie Eyer unter dieſem Ueberguß gut bewahrt bey ſich; Speck ſchuͤtzt gegen geiſtige Hitze und gegen aͤu- ßerliche Kaͤlte.” Giftig redete den dicken Doktor ſelber das Fraͤulein an, und ſagte: „ich kenne doch man- che beliebte Perſonen von Empfindung.” — „Von dieſem Schlage, verſetzte er, duͤrfte ich ſelber ſeyn. Ob ich gleich als ein Mann von Talg hier am Tafel-Ende den Fettſchweif vor- ſtelle, den ſich das kirgiſiſche Schaf nachfaͤhrt auf einem Waͤgelchen: ſo hab’ ich doch auch zwey Augen und ein Schnupftuch; wie oft hab’ ich nicht unter dem heftigſten Lachen Thraͤnen ver- goſſen! Desgleichen bey Kaͤlte von außen. Ue- berhaupt wie koͤnnte man, als gefrorne Winter- butter erſcheinen, waͤre man nicht aͤußerſt weich? Nur das Weiche kann gefrieren, Gnaͤdige, nicht das Harte.” Zum Gluͤck fuͤr einen Waffenſtillſtand unter- brach eben den Doktor der oben toaſtende Stry- kius mit ſeinen Neuigkeiten. Schwer ging ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/42
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/42>, abgerufen am 29.03.2024.