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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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am Stücke selber) ja durch bloße Spaß-Vorre-
den Rheumatismen gehoben worden, wiss' er
ganz gut. -- Ja, da Tissot eine Frau anführe,
die nicht eher als nach dem Lachen Stühle ge-
habt, so halt' er allerdings ernsthaft einen Sitz
im Komödienhause für so gut als ein treiben-
des Mittel, so daß jeder aus seiner Leidensge-
schichte, wie man sonst bey einer andern gethan,
ein Lustspiel machen könnte*). -- Daher wie
der Quacksalber gern einen Hanswurst, so sehe
der Arzt gern einen Lustspieldichter bey sich, da-
mit beyder Arzeneyen nach Verhältniß ihres
Werths von gleichmäßigen Späßen unterstützt
und eingeflößt würden.

"Das Trauerspiel aber, Herr Doktor?" fiel
ein junger Mensch ein, der zu beantworten
glaubte, wenn er befragte.

"Gleichwohl glaub' er -- fuhr er ohne Ant-
wort fort -- Verstopfung und dergleichen eben
so leicht durch einige Sennes- und Rezeptblätter
zu heben als durch ein vielblättriges Lustspiel,

*) Die Confrerie de la Passions 1380; der Bischoff von Angers
machte für sie aus der Passion eine Komödie.

am Stuͤcke ſelber) ja durch bloße Spaß-Vorre-
den Rheumatiſmen gehoben worden, wiſſ’ er
ganz gut. — Ja, da Tiſſot eine Frau anfuͤhre,
die nicht eher als nach dem Lachen Stuͤhle ge-
habt, ſo halt’ er allerdings ernſthaft einen Sitz
im Komoͤdienhauſe fuͤr ſo gut als ein treiben-
des Mittel, ſo daß jeder aus ſeiner Leidensge-
ſchichte, wie man ſonſt bey einer andern gethan,
ein Luſtſpiel machen koͤnnte*). — Daher wie
der Quackſalber gern einen Hanswurſt, ſo ſehe
der Arzt gern einen Luſtſpieldichter bey ſich, da-
mit beyder Arzeneyen nach Verhaͤltniß ihres
Werths von gleichmaͤßigen Spaͤßen unterſtuͤtzt
und eingeflößt wuͤrden.

„Das Trauerſpiel aber, Herr Doktor?” fiel
ein junger Menſch ein, der zu beantworten
glaubte, wenn er befragte.

„Gleichwohl glaub’ er — fuhr er ohne Ant-
wort fort — Verſtopfung und dergleichen eben
ſo leicht durch einige Sennes- und Rezeptblaͤtter
zu heben als durch ein vielblaͤttriges Luſtſpiel,

*) Die Confrérie de la Passions 1380; der Biſchoff von Angers
machte für ſie aus der Paſſion eine Komödie.
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[31/0037] am Stuͤcke ſelber) ja durch bloße Spaß-Vorre- den Rheumatiſmen gehoben worden, wiſſ’ er ganz gut. — Ja, da Tiſſot eine Frau anfuͤhre, die nicht eher als nach dem Lachen Stuͤhle ge- habt, ſo halt’ er allerdings ernſthaft einen Sitz im Komoͤdienhauſe fuͤr ſo gut als ein treiben- des Mittel, ſo daß jeder aus ſeiner Leidensge- ſchichte, wie man ſonſt bey einer andern gethan, ein Luſtſpiel machen koͤnnte *). — Daher wie der Quackſalber gern einen Hanswurſt, ſo ſehe der Arzt gern einen Luſtſpieldichter bey ſich, da- mit beyder Arzeneyen nach Verhaͤltniß ihres Werths von gleichmaͤßigen Spaͤßen unterſtuͤtzt und eingeflößt wuͤrden. „Das Trauerſpiel aber, Herr Doktor?” fiel ein junger Menſch ein, der zu beantworten glaubte, wenn er befragte. „Gleichwohl glaub’ er — fuhr er ohne Ant- wort fort — Verſtopfung und dergleichen eben ſo leicht durch einige Sennes- und Rezeptblaͤtter zu heben als durch ein vielblaͤttriges Luſtſpiel, *) Die Confrérie de la Passions 1380; der Biſchoff von Angers machte für ſie aus der Paſſion eine Komödie.

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/37>, abgerufen am 28.03.2024.