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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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werde, stets werd' ich darin mein Gesicht erbli-
cken, und dadurch auf Deines kommen, das so
oft an meinem gewesen, Suse. -- Jetzt frey-
lich, Hr. v. Nieß, sprech' ich prosaischer."

Nieß grif feurig nach des Doktors Hand,
und sagte: "Das scherzhafte Gewand verberge
ihm doch nicht das weiche Herz darunter." "Ich
muß auch durchaus früherer Zeit zu weich und
flüssig gewesen seyn -- versetzte dieser -- weil
ich sonst nicht gehörig hart und knöchern hätte
werden können, denn es ist geistig wie mit dem
Leibe, in welchem bloß aus dem Flüssigen sich
die Knochen und alles Harte erzeugt, und wenn
ein Mann harte Eiszapfenworte ausstößt, so
sollte dies wohl der beste Beweis seyn, wie viel
weiche Thränen er sonst vergossen." "Immer
schöner!" rief Nieß, "o Gott nein!" rief The-
oda im gereitzten Tone.

Der Edelmann schob sogleich etwas Schmei-
chelndes, nämlich einen neuen Zug von Theu-
dobach ein, den er mit ihm theile, nämlich den
Genuß der Natur. Also auch des Maies? fragte
der Doktor; Nieß nickte. Hierauf erzählte die-

werde, ſtets werd’ ich darin mein Geſicht erbli-
cken, und dadurch auf Deines kommen, das ſo
oft an meinem geweſen, Suſe. — Jetzt frey-
lich, Hr. v. Nieß, ſprech’ ich proſaiſcher.”

Nieß grif feurig nach des Doktors Hand,
und ſagte: „Das ſcherzhafte Gewand verberge
ihm doch nicht das weiche Herz darunter.” „Ich
muß auch durchaus fruͤherer Zeit zu weich und
fluͤſſig geweſen ſeyn — verſetzte dieſer — weil
ich ſonſt nicht gehoͤrig hart und knoͤchern haͤtte
werden koͤnnen, denn es iſt geiſtig wie mit dem
Leibe, in welchem bloß aus dem Fluͤſſigen ſich
die Knochen und alles Harte erzeugt, und wenn
ein Mann harte Eiszapfenworte ausſtoͤßt, ſo
ſollte dies wohl der beſte Beweis ſeyn, wie viel
weiche Thraͤnen er ſonſt vergoſſen.” „Immer
ſchoͤner!” rief Nieß, „o Gott nein!” rief The-
oda im gereitzten Tone.

Der Edelmann ſchob ſogleich etwas Schmei-
chelndes, naͤmlich einen neuen Zug von Theu-
dobach ein, den er mit ihm theile, naͤmlich den
Genuß der Natur. Alſo auch des Maies? fragte
der Doktor; Nieß nickte. Hierauf erzaͤhlte die-

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[40/0058] werde, ſtets werd’ ich darin mein Geſicht erbli- cken, und dadurch auf Deines kommen, das ſo oft an meinem geweſen, Suſe. — Jetzt frey- lich, Hr. v. Nieß, ſprech’ ich proſaiſcher.” Nieß grif feurig nach des Doktors Hand, und ſagte: „Das ſcherzhafte Gewand verberge ihm doch nicht das weiche Herz darunter.” „Ich muß auch durchaus fruͤherer Zeit zu weich und fluͤſſig geweſen ſeyn — verſetzte dieſer — weil ich ſonſt nicht gehoͤrig hart und knoͤchern haͤtte werden koͤnnen, denn es iſt geiſtig wie mit dem Leibe, in welchem bloß aus dem Fluͤſſigen ſich die Knochen und alles Harte erzeugt, und wenn ein Mann harte Eiszapfenworte ausſtoͤßt, ſo ſollte dies wohl der beſte Beweis ſeyn, wie viel weiche Thraͤnen er ſonſt vergoſſen.” „Immer ſchoͤner!” rief Nieß, „o Gott nein!” rief The- oda im gereitzten Tone. Der Edelmann ſchob ſogleich etwas Schmei- chelndes, naͤmlich einen neuen Zug von Theu- dobach ein, den er mit ihm theile, naͤmlich den Genuß der Natur. Alſo auch des Maies? fragte der Doktor; Nieß nickte. Hierauf erzaͤhlte die-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/58>, abgerufen am 25.04.2024.