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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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6. Summula.
Fortsetzung der Abreise.

Am Morgen that oder war Theoda in der weib-
lichen Weltgeschichte nicht nur das achte Wunder
der Welt -- sie war nämlich so früh fertig als
die Männer -- sondern auch das neunte, sie
war noch eher fertig. Gleichwohl mußte man auf
sie warten -- wie auf jede. Es war ihr nämlich
die ganze Nacht vorgekommen, daß sie gestern
durch ihr Freude-Brausen bey einem Abschiede,
und durch ihr Eilen sich an der schwangern Freun-
din versündiget habe; ihr Herz trieb sie gewalt-
sam noch einmal in der Morgendämmerung zu
ihr. Sie fand das Haus offen, (Mehlhorn
war früh verreißt) und kam ungehindert in
Bonas Schlafgemach. Bloß wie eine von der
Nacht geschlossene Lilie, ruhte ihr stilles Gesicht
im altväterischen Stuhle umgesunken angelehnt
Theoda küßte eine Locke -- dann leise die Stirn

6. Summula.
Fortſetzung der Abreiſe.

Am Morgen that oder war Theoda in der weib-
lichen Weltgeſchichte nicht nur das achte Wunder
der Welt — ſie war naͤmlich ſo fruͤh fertig als
die Maͤnner — ſondern auch das neunte, ſie
war noch eher fertig. Gleichwohl mußte man auf
ſie warten — wie auf jede. Es war ihr naͤmlich
die ganze Nacht vorgekommen, daß ſie geſtern
durch ihr Freude-Brauſen bey einem Abſchiede,
und durch ihr Eilen ſich an der ſchwangern Freun-
din verſuͤndiget habe; ihr Herz trieb ſie gewalt-
ſam noch einmal in der Morgendaͤmmerung zu
ihr. Sie fand das Haus offen, (Mehlhorn
war fruͤh verreißt) und kam ungehindert in
Bonas Schlafgemach. Bloß wie eine von der
Nacht geſchloſſene Lilie, ruhte ihr ſtilles Geſicht
im altvaͤteriſchen Stuhle umgeſunken angelehnt
Theoda kuͤßte eine Locke — dann leiſe die Stirn

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[25/0043] 6. Summula. Fortſetzung der Abreiſe. Am Morgen that oder war Theoda in der weib- lichen Weltgeſchichte nicht nur das achte Wunder der Welt — ſie war naͤmlich ſo fruͤh fertig als die Maͤnner — ſondern auch das neunte, ſie war noch eher fertig. Gleichwohl mußte man auf ſie warten — wie auf jede. Es war ihr naͤmlich die ganze Nacht vorgekommen, daß ſie geſtern durch ihr Freude-Brauſen bey einem Abſchiede, und durch ihr Eilen ſich an der ſchwangern Freun- din verſuͤndiget habe; ihr Herz trieb ſie gewalt- ſam noch einmal in der Morgendaͤmmerung zu ihr. Sie fand das Haus offen, (Mehlhorn war fruͤh verreißt) und kam ungehindert in Bonas Schlafgemach. Bloß wie eine von der Nacht geſchloſſene Lilie, ruhte ihr ſtilles Geſicht im altvaͤteriſchen Stuhle umgeſunken angelehnt Theoda kuͤßte eine Locke — dann leiſe die Stirn

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/43>, abgerufen am 23.04.2024.