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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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erzählten, daß das Herz vor lauter Sehnsucht
in seinen eignen Thränen starb.

Jetzt zog die Ewigkeit näher. Die Sonnen
rings am Himmel-Rand waren alle eingegan-
gen und nur noch einige sanfte blickten mit ein-
ander an der dunkeln Höhe zusammen. Wir
waren alle Kinder geworden, und der eine sagte
zum andern: Du kennst mich, und ich dich sehr
gut, aber wir haben keine Namen. Helle ge-
spannte Farben erklangen; hohe Töne blitzten
oben im Flug, und die tiefern ließen am Boden
Blumen fallen. Es donnerte; jetzt bricht das
Welten-Eis, sagten wir, es wird schmelzen,
und rinnen und verrinnen. Wo bleibt aber mein
kleines auf der Erde verstorbenes Kind, sagte
selber eines. Es schwimmt in seiner Wiege auf
dem Weltenmeer daher, antwortete das andere.

Jetzt stand nur noch eine Sonne mild und
blaß am gewölbten Blau. -- Der rollende
Eisdonner verlief sich zu tiefen Tönen, und end-
lich zu fernen Melodieen. -- In Abend stiegen
goldne Wolken aus dem Boden gen Himmel,
und Sternbilder schlichen sich hinter ihnen auf

erzaͤhlten, daß das Herz vor lauter Sehnſucht
in ſeinen eignen Thraͤnen ſtarb.

Jetzt zog die Ewigkeit naͤher. Die Sonnen
rings am Himmel-Rand waren alle eingegan-
gen und nur noch einige ſanfte blickten mit ein-
ander an der dunkeln Höhe zuſammen. Wir
waren alle Kinder geworden, und der eine ſagte
zum andern: Du kennſt mich, und ich dich ſehr
gut, aber wir haben keine Namen. Helle ge-
ſpannte Farben erklangen; hohe Töne blitzten
oben im Flug, und die tiefern ließen am Boden
Blumen fallen. Es donnerte; jetzt bricht das
Welten-Eis, ſagten wir, es wird ſchmelzen,
und rinnen und verrinnen. Wo bleibt aber mein
kleines auf der Erde verſtorbenes Kind, ſagte
ſelber eines. Es ſchwimmt in ſeiner Wiege auf
dem Weltenmeer daher, antwortete das andere.

Jetzt ſtand nur noch eine Sonne mild und
blaß am gewoͤlbten Blau. — Der rollende
Eisdonner verlief ſich zu tiefen Toͤnen, und end-
lich zu fernen Melodieen. — In Abend ſtiegen
goldne Wolken aus dem Boden gen Himmel,
und Sternbilder ſchlichen ſich hinter ihnen auf

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[258/0276] erzaͤhlten, daß das Herz vor lauter Sehnſucht in ſeinen eignen Thraͤnen ſtarb. Jetzt zog die Ewigkeit naͤher. Die Sonnen rings am Himmel-Rand waren alle eingegan- gen und nur noch einige ſanfte blickten mit ein- ander an der dunkeln Höhe zuſammen. Wir waren alle Kinder geworden, und der eine ſagte zum andern: Du kennſt mich, und ich dich ſehr gut, aber wir haben keine Namen. Helle ge- ſpannte Farben erklangen; hohe Töne blitzten oben im Flug, und die tiefern ließen am Boden Blumen fallen. Es donnerte; jetzt bricht das Welten-Eis, ſagten wir, es wird ſchmelzen, und rinnen und verrinnen. Wo bleibt aber mein kleines auf der Erde verſtorbenes Kind, ſagte ſelber eines. Es ſchwimmt in ſeiner Wiege auf dem Weltenmeer daher, antwortete das andere. Jetzt ſtand nur noch eine Sonne mild und blaß am gewoͤlbten Blau. — Der rollende Eisdonner verlief ſich zu tiefen Toͤnen, und end- lich zu fernen Melodieen. — In Abend ſtiegen goldne Wolken aus dem Boden gen Himmel, und Sternbilder ſchlichen ſich hinter ihnen auf

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/276>, abgerufen am 29.03.2024.