Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

aber etwas anderes als Sinnen, man geb' uns
tausend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf
dieselbe Weise leer-verglimmend, der leichte
Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf,
und der lebendige Funke läuft zwischen dünner
Asche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit ist
ein Augenblick, unser Erden-Seyn wie unser
Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au-
genblick. Unser Sehnen wird uns für dessen
Gegenstand, so wie der wirkliche Durst im
Traum für sein wirkliches Löschen im Wachen
Bürge, so oft auch der Traum mit ge-
träumtem Trinken hinhalte. Ja diese Aehn-
lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann,
wann dieses Leben am reichsten austheilt
z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns
mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond-
schein blendet, gerade dann, wenn das Leben
unsere höchsten Wünsche ausfüllt, da erscheint
das fremde Sehnen am stärksten, und nur um
ein ebenes Paradies des Erdbodens wölbt sich
der tiefe gestirnte Himmel der Sehnsucht am
größten. Woher das sogar bey den geistigsten

aber etwas anderes als Sinnen, man geb’ uns
tauſend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf
dieſelbe Weiſe leer-verglimmend, der leichte
Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf,
und der lebendige Funke laͤuft zwiſchen duͤnner
Aſche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit iſt
ein Augenblick, unſer Erden-Seyn wie unſer
Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au-
genblick. Unſer Sehnen wird uns fuͤr deſſen
Gegenſtand, ſo wie der wirkliche Durſt im
Traum fuͤr ſein wirkliches Loͤſchen im Wachen
Buͤrge, ſo oft auch der Traum mit ge-
träumtem Trinken hinhalte. Ja dieſe Aehn-
lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann,
wann dieſes Leben am reichſten austheilt
z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns
mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond-
ſchein blendet, gerade dann, wenn das Leben
unſere hoͤchſten Wuͤnſche ausfuͤllt, da erſcheint
das fremde Sehnen am ſtaͤrkſten, und nur um
ein ebenes Paradies des Erdbodens woͤlbt ſich
der tiefe geſtirnte Himmel der Sehnſucht am
groͤßten. Woher das ſogar bey den geiſtigſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="249"/>
aber etwas anderes als Sinnen, man geb&#x2019; uns<lb/>
tau&#x017F;end neue; der Lebensfaden bleibt doch auf<lb/>
die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e leer-verglimmend, der leichte<lb/>
Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf,<lb/>
und der lebendige Funke la&#x0364;uft zwi&#x017F;chen du&#x0364;nner<lb/>
A&#x017F;che und leerer weißer Zukunft. Die Zeit i&#x017F;t<lb/>
ein Augenblick, un&#x017F;er Erden-Seyn wie un&#x017F;er<lb/>
Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au-<lb/>
genblick. Un&#x017F;er Sehnen wird uns fu&#x0364;r de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Gegen&#x017F;tand, &#x017F;o wie der wirkliche Dur&#x017F;t im<lb/>
Traum fu&#x0364;r &#x017F;ein wirkliches Lo&#x0364;&#x017F;chen im Wachen<lb/>
Bu&#x0364;rge, &#x017F;o oft auch der Traum mit ge-<lb/>
träumtem Trinken hinhalte. Ja die&#x017F;e Aehn-<lb/>
lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann,<lb/>
wann die&#x017F;es Leben am reich&#x017F;ten austheilt<lb/>
z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns<lb/>
mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond-<lb/>
&#x017F;chein blendet, gerade dann, wenn das Leben<lb/>
un&#x017F;ere ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wu&#x0364;n&#x017F;che ausfu&#x0364;llt, da er&#x017F;cheint<lb/>
das fremde Sehnen am &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten, und nur um<lb/>
ein ebenes Paradies des Erdbodens wo&#x0364;lbt &#x017F;ich<lb/>
der tiefe ge&#x017F;tirnte Himmel der Sehn&#x017F;ucht am<lb/>
gro&#x0364;ßten. Woher das &#x017F;ogar bey den gei&#x017F;tig&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0267] aber etwas anderes als Sinnen, man geb’ uns tauſend neue; der Lebensfaden bleibt doch auf dieſelbe Weiſe leer-verglimmend, der leichte Punkt des Augenblicks lodert an ihm hinauf, und der lebendige Funke laͤuft zwiſchen duͤnner Aſche und leerer weißer Zukunft. Die Zeit iſt ein Augenblick, unſer Erden-Seyn wie unſer Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Au- genblick. Unſer Sehnen wird uns fuͤr deſſen Gegenſtand, ſo wie der wirkliche Durſt im Traum fuͤr ſein wirkliches Loͤſchen im Wachen Buͤrge, ſo oft auch der Traum mit ge- träumtem Trinken hinhalte. Ja dieſe Aehn- lichkeit wird Gleichheit; denn gerade dann, wann dieſes Leben am reichſten austheilt z. B. in der Jugend und wie eine Sonne uns mit Morgenroth und Mittagslichtern und Mond- ſchein blendet, gerade dann, wenn das Leben unſere hoͤchſten Wuͤnſche ausfuͤllt, da erſcheint das fremde Sehnen am ſtaͤrkſten, und nur um ein ebenes Paradies des Erdbodens woͤlbt ſich der tiefe geſtirnte Himmel der Sehnſucht am groͤßten. Woher das ſogar bey den geiſtigſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/267
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/267>, abgerufen am 16.04.2024.