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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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welt sey undenkbar, insofern der Tod es voll-
führen solle, der sie ja, wie der Schlaf und die
Ohnmacht nicht dadurch für den Geist aufhebe,
daß er sie verändere; und wenn einmal
das Gehirn eine Testatur des Geistes war, so
behalte er doch nach dessen Zersetzung noch die
Körper übrig, wodurch und worin dasselbe zer-
setzt geworden: zumal da keine Kraft im Uni-
versum zu verlieren sey. -- Das Universum
ist der Körper unsers Körpers, fuhr er fort,
aber kann nicht unser Körper wieder die Hülle
einer Hülle seyn und so fort? Für die Phantasie
wird es faßlicher, wenn man ihr es auszumah-
len gibt, daß, da jede mikroskopische Vergrö-
ßerung
eine wahre, nur aber zu kleine ist*),

*) Dieses ist mathematisch wahr. Die Vergrößerung -- die
nichts ist als eine nähere Annäherung -- erschafft und
organisirt ja z. B. nicht den Flaum der Schmetter-
lings-Flügel, den sie aus der relativen Ferne herüber-
zieht, (so wie nicht die nahe Größe, sondern die ferne
Kleinheit einer Gegend scheinbar ist) mithin da
jede Mücke unter dem Mikroskop die enthüllten Aederchen
u. s. w. und deren Verhältnisse wirklich hat, die jenes
zeigt: so wird sie ja darunter nicht vergrößert, sondern
nur weniger verkleinert gezeigt; weil die Vergrößerung
im umgekehrten Verhältniß der Fokus-Ferne besteht, und
diese am Ende so klein gedacht werden kann, daß nur noch
Erster Theil. 16

welt ſey undenkbar, inſofern der Tod es voll-
fuͤhren ſolle, der ſie ja, wie der Schlaf und die
Ohnmacht nicht dadurch fuͤr den Geiſt aufhebe,
daß er ſie veraͤndere; und wenn einmal
das Gehirn eine Teſtatur des Geiſtes war, ſo
behalte er doch nach deſſen Zerſetzung noch die
Koͤrper uͤbrig, wodurch und worin daſſelbe zer-
ſetzt geworden: zumal da keine Kraft im Uni-
verſum zu verlieren ſey. — Das Univerſum
iſt der Koͤrper unſers Körpers, fuhr er fort,
aber kann nicht unſer Koͤrper wieder die Huͤlle
einer Huͤlle ſeyn und ſo fort? Fuͤr die Phantaſie
wird es faßlicher, wenn man ihr es auszumah-
len gibt, daß, da jede mikroſkopiſche Vergroͤ-
ßerung
eine wahre, nur aber zu kleine iſt*),

*) Dieſes iſt mathematiſch wahr. Die Vergrößerung — die
nichts iſt als eine nähere Annäherung — erſchafft und
organiſirt ja z. B. nicht den Flaum der Schmetter-
lings-Flügel, den ſie aus der relativen Ferne herüber-
zieht, (ſo wie nicht die nahe Größe, ſondern die ferne
Kleinheit einer Gegend ſcheinbar iſt) mithin da
jede Mücke unter dem Mikroſkop die enthüllten Aederchen
u. ſ. w. und deren Verhältniſſe wirklich hat, die jenes
zeigt: ſo wird ſie ja darunter nicht vergrößert, ſondern
nur weniger verkleinert gezeigt; weil die Vergrößerung
im umgekehrten Verhältniß der Fokus-Ferne beſteht, und
dieſe am Ende ſo klein gedacht werden kann, daß nur noch
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[241/0259] welt ſey undenkbar, inſofern der Tod es voll- fuͤhren ſolle, der ſie ja, wie der Schlaf und die Ohnmacht nicht dadurch fuͤr den Geiſt aufhebe, daß er ſie veraͤndere; und wenn einmal das Gehirn eine Teſtatur des Geiſtes war, ſo behalte er doch nach deſſen Zerſetzung noch die Koͤrper uͤbrig, wodurch und worin daſſelbe zer- ſetzt geworden: zumal da keine Kraft im Uni- verſum zu verlieren ſey. — Das Univerſum iſt der Koͤrper unſers Körpers, fuhr er fort, aber kann nicht unſer Koͤrper wieder die Huͤlle einer Huͤlle ſeyn und ſo fort? Fuͤr die Phantaſie wird es faßlicher, wenn man ihr es auszumah- len gibt, daß, da jede mikroſkopiſche Vergroͤ- ßerung eine wahre, nur aber zu kleine iſt *), *) Dieſes iſt mathematiſch wahr. Die Vergrößerung — die nichts iſt als eine nähere Annäherung — erſchafft und organiſirt ja z. B. nicht den Flaum der Schmetter- lings-Flügel, den ſie aus der relativen Ferne herüber- zieht, (ſo wie nicht die nahe Größe, ſondern die ferne Kleinheit einer Gegend ſcheinbar iſt) mithin da jede Mücke unter dem Mikroſkop die enthüllten Aederchen u. ſ. w. und deren Verhältniſſe wirklich hat, die jenes zeigt: ſo wird ſie ja darunter nicht vergrößert, ſondern nur weniger verkleinert gezeigt; weil die Vergrößerung im umgekehrten Verhältniß der Fokus-Ferne beſteht, und dieſe am Ende ſo klein gedacht werden kann, daß nur noch Erſter Theil. 16

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/259>, abgerufen am 29.03.2024.