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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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5) Hefte dein inneres Nachtauge lange auf
einen optischen Gegenstand, z. B. auf eine Mor-
genaue, auf einen Berggipfel, es wird sich schlie-
ßen. Ueberhaupt sind Landschaften -- weil sie
unserem innern Menschen, der mehr Augen
hat als Ohren, leicht zu erschaffen werden,
und weil sie uns in keine mit Menschen bevöl-
kerte und erweckende Zukunft ziehen, -- die
beste Schaukel und Wiege des unruhigen
Geistes.

6) Das sechste Mittel half mir mehrere
Nachmitternächte durch, aber es fodert Uebung;
man schauet nämlich bloß unverrückt in den lee-
ren schwarzen Raum hinein, der sich vor den
zugeschloßnen Augen ausstreckt.

7) Wer seine Augen schließen will, mache
an seinem innern Januskopfe zuerst das Paar,
das nach der Zukunft blicket, zu; das zweyte,
nach der Vorzeit gerichtet, lasse er immer
offen. Am Tage vor einer Reise oder Haupt-
that schläft man so schwer als am Tage nach-
her
so leicht; die Zukunft ergreift uns (so wie
den Traum) mehr, als die Gegenwart und Ver-

5) Hefte dein inneres Nachtauge lange auf
einen optiſchen Gegenſtand, z. B. auf eine Mor-
genaue, auf einen Berggipfel, es wird ſich ſchlie-
ßen. Ueberhaupt ſind Landſchaften — weil ſie
unſerem innern Menſchen, der mehr Augen
hat als Ohren, leicht zu erſchaffen werden,
und weil ſie uns in keine mit Menſchen bevoͤl-
kerte und erweckende Zukunft ziehen, — die
beſte Schaukel und Wiege des unruhigen
Geiſtes.

6) Das ſechſte Mittel half mir mehrere
Nachmitternaͤchte durch, aber es fodert Uebung;
man ſchauet naͤmlich bloß unverruͤckt in den lee-
ren ſchwarzen Raum hinein, der ſich vor den
zugeſchloßnen Augen ausſtreckt.

7) Wer ſeine Augen ſchließen will, mache
an ſeinem innern Januskopfe zuerſt das Paar,
das nach der Zukunft blicket, zu; das zweyte,
nach der Vorzeit gerichtet, laſſe er immer
offen. Am Tage vor einer Reiſe oder Haupt-
that ſchlaͤft man ſo ſchwer als am Tage nach-
her
ſo leicht; die Zukunft ergreift uns (ſo wie
den Traum) mehr, als die Gegenwart und Ver-

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[229/0247] 5) Hefte dein inneres Nachtauge lange auf einen optiſchen Gegenſtand, z. B. auf eine Mor- genaue, auf einen Berggipfel, es wird ſich ſchlie- ßen. Ueberhaupt ſind Landſchaften — weil ſie unſerem innern Menſchen, der mehr Augen hat als Ohren, leicht zu erſchaffen werden, und weil ſie uns in keine mit Menſchen bevoͤl- kerte und erweckende Zukunft ziehen, — die beſte Schaukel und Wiege des unruhigen Geiſtes. 6) Das ſechſte Mittel half mir mehrere Nachmitternaͤchte durch, aber es fodert Uebung; man ſchauet naͤmlich bloß unverruͤckt in den lee- ren ſchwarzen Raum hinein, der ſich vor den zugeſchloßnen Augen ausſtreckt. 7) Wer ſeine Augen ſchließen will, mache an ſeinem innern Januskopfe zuerſt das Paar, das nach der Zukunft blicket, zu; das zweyte, nach der Vorzeit gerichtet, laſſe er immer offen. Am Tage vor einer Reiſe oder Haupt- that ſchlaͤft man ſo ſchwer als am Tage nach- her ſo leicht; die Zukunft ergreift uns (ſo wie den Traum) mehr, als die Gegenwart und Ver-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/247>, abgerufen am 29.03.2024.