Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

genug gekostet; -- aber dieß gilt nur für das
erstemal. -- Eben hat mir mein scharfsinniger
Freund E. noch ein zwölftes entdeckt, nämlich
gar nicht einschlafen zu wollen.

Das Erste aber ist: Leibnitz schlug es als ein
gutes vor, nehmlich Zählen. -- Denn die
ganze Philosophie, ja die Mathematik hat keine
abstrackte Größe, die uns so wenig intereßirt,
als die Zahl -- wer nichts zählt, als Zahlen,
hat nichts Neues und nichts Altes, indessen doch
eine geistige Thätigkeit, obwohl die leichte der
Gewohnheit, so wie ein Virtuose ohne große gei-
stige Anstrengung nach dem Generalbasse phan-
tasirt, den er doch mit großer erlernte; Bur-
ton, der eine Zahl von 39 Ziffern im Kopfe mit
ihr selber multiplizierte, sank nach tiefen Rech-
nungen in tiefen Schlaf. Die Alten hatten an
den Bettstellen das Bildnis Merkurs, dieses
Rechners und Kaufmanns, und thaten an ihn
das letzte Gebet. Es läßet sich wetten, daß nie-
mand leichter einschläft als ein Mathematiker,
so wie niemand schlechter als ein Verse- und
Staatsmann.

genug gekoſtet; — aber dieß gilt nur fuͤr das
erſtemal. — Eben hat mir mein ſcharfſinniger
Freund E. noch ein zwoͤlftes entdeckt, naͤmlich
gar nicht einſchlafen zu wollen.

Das Erſte aber iſt: Leibnitz ſchlug es als ein
gutes vor, nehmlich Zaͤhlen. — Denn die
ganze Philoſophie, ja die Mathematik hat keine
abſtrackte Groͤße, die uns ſo wenig intereßirt,
als die Zahl — wer nichts zaͤhlt, als Zahlen,
hat nichts Neues und nichts Altes, indeſſen doch
eine geiſtige Thaͤtigkeit, obwohl die leichte der
Gewohnheit, ſo wie ein Virtuoſe ohne große gei-
ſtige Anſtrengung nach dem Generalbaſſe phan-
taſirt, den er doch mit großer erlernte; Bur-
ton, der eine Zahl von 39 Ziffern im Kopfe mit
ihr ſelber multiplizierte, ſank nach tiefen Rech-
nungen in tiefen Schlaf. Die Alten hatten an
den Bettſtellen das Bildnis Merkurs, dieſes
Rechners und Kaufmanns, und thaten an ihn
das letzte Gebet. Es laͤßet ſich wetten, daß nie-
mand leichter einſchlaͤft als ein Mathematiker,
ſo wie niemand ſchlechter als ein Verſe- und
Staatsmann.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="224"/>
genug geko&#x017F;tet; &#x2014; aber dieß gilt nur fu&#x0364;r das<lb/>
er&#x017F;temal. &#x2014; Eben hat mir mein &#x017F;charf&#x017F;inniger<lb/>
Freund E. noch ein zwo&#x0364;lftes entdeckt, na&#x0364;mlich<lb/>
gar nicht ein&#x017F;chlafen zu wollen.</p><lb/>
        <p>Das Er&#x017F;te aber i&#x017F;t: Leibnitz &#x017F;chlug es als ein<lb/>
gutes vor, nehmlich <hi rendition="#g">Za&#x0364;hlen</hi>. &#x2014; Denn die<lb/>
ganze Philo&#x017F;ophie, ja die Mathematik hat keine<lb/>
ab&#x017F;trackte Gro&#x0364;ße, die uns &#x017F;o wenig intereßirt,<lb/>
als die Zahl &#x2014; wer nichts za&#x0364;hlt, als Zahlen,<lb/>
hat nichts Neues und nichts Altes, inde&#x017F;&#x017F;en doch<lb/>
eine gei&#x017F;tige Tha&#x0364;tigkeit, obwohl die leichte der<lb/>
Gewohnheit, &#x017F;o wie ein Virtuo&#x017F;e ohne große gei-<lb/>
&#x017F;tige An&#x017F;trengung nach dem Generalba&#x017F;&#x017F;e phan-<lb/>
ta&#x017F;irt, den er doch mit großer erlernte; Bur-<lb/>
ton, der eine Zahl von 39 Ziffern im Kopfe mit<lb/>
ihr &#x017F;elber multiplizierte, &#x017F;ank nach tiefen Rech-<lb/>
nungen in tiefen Schlaf. Die Alten hatten an<lb/>
den Bett&#x017F;tellen das Bildnis Merkurs, die&#x017F;es<lb/>
Rechners und Kaufmanns, und thaten an ihn<lb/>
das letzte Gebet. Es la&#x0364;ßet &#x017F;ich wetten, daß nie-<lb/>
mand leichter ein&#x017F;chla&#x0364;ft als ein Mathematiker,<lb/>
&#x017F;o wie niemand &#x017F;chlechter als ein Ver&#x017F;e- und<lb/>
Staatsmann.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0242] genug gekoſtet; — aber dieß gilt nur fuͤr das erſtemal. — Eben hat mir mein ſcharfſinniger Freund E. noch ein zwoͤlftes entdeckt, naͤmlich gar nicht einſchlafen zu wollen. Das Erſte aber iſt: Leibnitz ſchlug es als ein gutes vor, nehmlich Zaͤhlen. — Denn die ganze Philoſophie, ja die Mathematik hat keine abſtrackte Groͤße, die uns ſo wenig intereßirt, als die Zahl — wer nichts zaͤhlt, als Zahlen, hat nichts Neues und nichts Altes, indeſſen doch eine geiſtige Thaͤtigkeit, obwohl die leichte der Gewohnheit, ſo wie ein Virtuoſe ohne große gei- ſtige Anſtrengung nach dem Generalbaſſe phan- taſirt, den er doch mit großer erlernte; Bur- ton, der eine Zahl von 39 Ziffern im Kopfe mit ihr ſelber multiplizierte, ſank nach tiefen Rech- nungen in tiefen Schlaf. Die Alten hatten an den Bettſtellen das Bildnis Merkurs, dieſes Rechners und Kaufmanns, und thaten an ihn das letzte Gebet. Es laͤßet ſich wetten, daß nie- mand leichter einſchlaͤft als ein Mathematiker, ſo wie niemand ſchlechter als ein Verſe- und Staatsmann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/242
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/242>, abgerufen am 28.03.2024.