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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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che dem Volke des Ktesias so ungleich, das
sich nur vom Geruch der Früchte erhält, viel
feiner von der Physiognomie derselben le-
ben, diese haben in ihrem eignen Bewußtseyn
den gewissern höhern Beweis einer schönern hö-
hern Natur, gleichsam des Magens eines neuen
Adams; und bloß darauf können sie die Hoff-
nung ihrer Dauer bauen. Die Völker, welche
Todten Speise vorsetzen und mitgeben, die er
mit dem gestorbenen Magen nicht verdauen
konnte, scheinen etwas von einem fortlebenden,
vorausgesetzt zu haben. Indeß, so wie ein La-
sterhafter im ganzen Himmel kein Vergnügen
fände, so würde ein Hungerleider -- voll gro-
ber Begierden -- in einer ganzen Garküche voll
Schaugerichte, keine Sättigung gewinnen; er
muß erst veredelt (oder gesättigt) seyn. Gebil-
dete Damen haben meist den irrdischen Magen
dermaßen ertödtet, daß sie -- so wie Christus,
nach dem Clemens von Alexandrien, Essen genoß,
nicht weil ers brauchte, (eine himmlische Kraft
macht' ihn satt) sondern um sich nicht das An-
sehn eines Scheinkörpers zu geben -- daß,

che dem Volke des Kteſias ſo ungleich, das
ſich nur vom Geruch der Fruͤchte erhaͤlt, viel
feiner von der Phyſiognomie derſelben le-
ben, dieſe haben in ihrem eignen Bewußtſeyn
den gewiſſern hoͤhern Beweis einer ſchoͤnern hoͤ-
hern Natur, gleichſam des Magens eines neuen
Adams; und bloß darauf koͤnnen ſie die Hoff-
nung ihrer Dauer bauen. Die Völker, welche
Todten Speiſe vorſetzen und mitgeben, die er
mit dem geſtorbenen Magen nicht verdauen
konnte, ſcheinen etwas von einem fortlebenden,
vorausgeſetzt zu haben. Indeß, ſo wie ein La-
ſterhafter im ganzen Himmel kein Vergnuͤgen
faͤnde, ſo wuͤrde ein Hungerleider — voll gro-
ber Begierden — in einer ganzen Garkuͤche voll
Schaugerichte, keine Saͤttigung gewinnen; er
muß erſt veredelt (oder geſaͤttigt) ſeyn. Gebil-
dete Damen haben meiſt den irrdiſchen Magen
dermaßen ertödtet, daß ſie — ſo wie Chriſtus,
nach dem Clemens von Alexandrien, Eſſen genoß,
nicht weil ers brauchte, (eine himmliſche Kraft
macht’ ihn ſatt) ſondern um ſich nicht das An-
ſehn eines Scheinkoͤrpers zu geben — daß,

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[211/0229] che dem Volke des Kteſias ſo ungleich, das ſich nur vom Geruch der Fruͤchte erhaͤlt, viel feiner von der Phyſiognomie derſelben le- ben, dieſe haben in ihrem eignen Bewußtſeyn den gewiſſern hoͤhern Beweis einer ſchoͤnern hoͤ- hern Natur, gleichſam des Magens eines neuen Adams; und bloß darauf koͤnnen ſie die Hoff- nung ihrer Dauer bauen. Die Völker, welche Todten Speiſe vorſetzen und mitgeben, die er mit dem geſtorbenen Magen nicht verdauen konnte, ſcheinen etwas von einem fortlebenden, vorausgeſetzt zu haben. Indeß, ſo wie ein La- ſterhafter im ganzen Himmel kein Vergnuͤgen faͤnde, ſo wuͤrde ein Hungerleider — voll gro- ber Begierden — in einer ganzen Garkuͤche voll Schaugerichte, keine Saͤttigung gewinnen; er muß erſt veredelt (oder geſaͤttigt) ſeyn. Gebil- dete Damen haben meiſt den irrdiſchen Magen dermaßen ertödtet, daß ſie — ſo wie Chriſtus, nach dem Clemens von Alexandrien, Eſſen genoß, nicht weil ers brauchte, (eine himmliſche Kraft macht’ ihn ſatt) ſondern um ſich nicht das An- ſehn eines Scheinkoͤrpers zu geben — daß,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/229>, abgerufen am 25.04.2024.