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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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lings-Herz ihm selber unbemerkt. Vielleicht gibt
es keinen pikantern Gegenschein der Gestalt und
des Geschäfts als der eines Jünglings ist, welcher
mit seinen Rosenwangen und Augen-Blitzen
des Auges und versteckten Donnermonaten der
brausenden Brust, sich hinsetzt und eine Feder
nimmt, und dann keine andere Auflösung sucht
und sieht, als eine -- algebraische. "Gott! sa-
gen dann die Weiber mit besonderem Feuer, er
hat ja noch das ganze Herz, und jede will sei-
nem gern so viel geben, als sie übrig hat von
ihrem. Dieser Hauptmann hatte nun auf seiner
Reise durch das Fürstenthum Großpolei zufällig
in der Zeitung gelesen: der durch seine Schrif-
ten bekannte Theudobach werde das Maulbron-
ner Bad besuchen. "Das ich doch nicht wüßte?"
sagte der Hauptmann, weil er von sich gespro-
chen glaubte, indem er mehrere kriegsmathema-
tische Werkchen geschrieben. Von Nießens
Namensvetterschaft und Dichtkunst wußt' er kein
Wort. Unter allen Wissenschaften bauet keine
ihre Priester so sehr gegen andere Wissenschaften
ein, als die sich selber genügsame Meßkunst, in-

lings-Herz ihm ſelber unbemerkt. Vielleicht gibt
es keinen pikantern Gegenſchein der Geſtalt und
des Geſchaͤfts als der eines Juͤnglings iſt, welcher
mit ſeinen Roſenwangen und Augen-Blitzen
des Auges und verſteckten Donnermonaten der
brauſenden Bruſt, ſich hinſetzt und eine Feder
nimmt, und dann keine andere Aufloͤſung ſucht
und ſieht, als eine — algebraiſche. „Gott! ſa-
gen dann die Weiber mit beſonderem Feuer, er
hat ja noch das ganze Herz, und jede will ſei-
nem gern ſo viel geben, als ſie uͤbrig hat von
ihrem. Dieſer Hauptmann hatte nun auf ſeiner
Reiſe durch das Fuͤrſtenthum Großpolei zufaͤllig
in der Zeitung geleſen: der durch ſeine Schrif-
ten bekannte Theudobach werde das Maulbron-
ner Bad beſuchen. „Das ich doch nicht wuͤßte?”
ſagte der Hauptmann, weil er von ſich geſpro-
chen glaubte, indem er mehrere kriegsmathema-
tiſche Werkchen geſchrieben. Von Nießens
Namensvetterſchaft und Dichtkunſt wußt’ er kein
Wort. Unter allen Wiſſenſchaften bauet keine
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ein, als die ſich ſelber genuͤgſame Meßkunſt, in-

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[158/0176] lings-Herz ihm ſelber unbemerkt. Vielleicht gibt es keinen pikantern Gegenſchein der Geſtalt und des Geſchaͤfts als der eines Juͤnglings iſt, welcher mit ſeinen Roſenwangen und Augen-Blitzen des Auges und verſteckten Donnermonaten der brauſenden Bruſt, ſich hinſetzt und eine Feder nimmt, und dann keine andere Aufloͤſung ſucht und ſieht, als eine — algebraiſche. „Gott! ſa- gen dann die Weiber mit beſonderem Feuer, er hat ja noch das ganze Herz, und jede will ſei- nem gern ſo viel geben, als ſie uͤbrig hat von ihrem. Dieſer Hauptmann hatte nun auf ſeiner Reiſe durch das Fuͤrſtenthum Großpolei zufaͤllig in der Zeitung geleſen: der durch ſeine Schrif- ten bekannte Theudobach werde das Maulbron- ner Bad beſuchen. „Das ich doch nicht wuͤßte?” ſagte der Hauptmann, weil er von ſich geſpro- chen glaubte, indem er mehrere kriegsmathema- tiſche Werkchen geſchrieben. Von Nießens Namensvetterſchaft und Dichtkunſt wußt’ er kein Wort. Unter allen Wiſſenſchaften bauet keine ihre Prieſter ſo ſehr gegen andere Wiſſenſchaften ein, als die ſich ſelber genuͤgſame Meßkunſt, in-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/176>, abgerufen am 19.04.2024.