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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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lassen würde, der sich wie eine Biene auf alle
Blumen-Monstrosen setzen müßte und könnte.
Was hat aber jetzt mein Geist davon, daß mein
Leib wohlgestaltet ist und die gemeinsten Reitze
für Volksaugen umher spreitet? -- Nichts hat
er, er sieht sich nach bessern um. Aber ich ent-
sinne mich noch recht gut meiner Jugend, wo
ich mehr idealisierte und weniger auf Erden als
im Himmel wandelte, da weidete ich mich an
geträumten höhern Misgeburten, als an einem
theuern schwachen Hasenpaar, das ich gestern
gekauft; da war es mir ein Leichtes, ganze in
einander hineingewachsene Sessionen geboren
und zu Kauf zu denken, die ich dann nach dem
Ableben leicht in einem Spiritus-Glas bewahrte
und bewegte nach Lust -- oder einen Knaben
mit einem angebornen vollständigen fleischernen
Krönungshabit -- oder einen tafelfähigen Edel-
mann mit 32 Steißen besetzt -- und doch sind
das nicht ganz arkadische Träume. Sonst wur-
den ja wirklich Menschen mit lebendigen Pluder-
hosen und Fontangen gebornen zum Abschrecken
vor genähten; warum könnte nicht unsern Zeiten

laſſen wuͤrde, der ſich wie eine Biene auf alle
Blumen-Monſtroſen ſetzen muͤßte und koͤnnte.
Was hat aber jetzt mein Geiſt davon, daß mein
Leib wohlgeſtaltet iſt und die gemeinſten Reitze
fuͤr Volksaugen umher ſpreitet? — Nichts hat
er, er ſieht ſich nach beſſern um. Aber ich ent-
ſinne mich noch recht gut meiner Jugend, wo
ich mehr idealiſierte und weniger auf Erden als
im Himmel wandelte, da weidete ich mich an
getraͤumten hoͤhern Misgeburten, als an einem
theuern ſchwachen Haſenpaar, das ich geſtern
gekauft; da war es mir ein Leichtes, ganze in
einander hineingewachſene Seſſionen geboren
und zu Kauf zu denken, die ich dann nach dem
Ableben leicht in einem Spiritus-Glas bewahrte
und bewegte nach Luſt — oder einen Knaben
mit einem angebornen vollſtaͤndigen fleiſchernen
Kroͤnungshabit — oder einen tafelfaͤhigen Edel-
mann mit 32 Steißen beſetzt — und doch ſind
das nicht ganz arkadiſche Traͤume. Sonſt wur-
den ja wirklich Menſchen mit lebendigen Pluder-
hoſen und Fontangen gebornen zum Abſchrecken
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[147/0165] laſſen wuͤrde, der ſich wie eine Biene auf alle Blumen-Monſtroſen ſetzen muͤßte und koͤnnte. Was hat aber jetzt mein Geiſt davon, daß mein Leib wohlgeſtaltet iſt und die gemeinſten Reitze fuͤr Volksaugen umher ſpreitet? — Nichts hat er, er ſieht ſich nach beſſern um. Aber ich ent- ſinne mich noch recht gut meiner Jugend, wo ich mehr idealiſierte und weniger auf Erden als im Himmel wandelte, da weidete ich mich an getraͤumten hoͤhern Misgeburten, als an einem theuern ſchwachen Haſenpaar, das ich geſtern gekauft; da war es mir ein Leichtes, ganze in einander hineingewachſene Seſſionen geboren und zu Kauf zu denken, die ich dann nach dem Ableben leicht in einem Spiritus-Glas bewahrte und bewegte nach Luſt — oder einen Knaben mit einem angebornen vollſtaͤndigen fleiſchernen Kroͤnungshabit — oder einen tafelfaͤhigen Edel- mann mit 32 Steißen beſetzt — und doch ſind das nicht ganz arkadiſche Traͤume. Sonſt wur- den ja wirklich Menſchen mit lebendigen Pluder- hoſen und Fontangen gebornen zum Abſchrecken vor genaͤhten; warum koͤnnte nicht unſern Zeiten

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/165>, abgerufen am 28.03.2024.