Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

will, wenn er dafür den Florhut abstehen soll. ..
Was können die plumpesten dicksten Kronen, die
man mir auf meinen Reisen vorgezeigt, in der einen
Schaale wiegen -- gesetzt man würfe auch noch ei¬
nige Tiaren und Dogemützen mit Bügeln und päbst¬
liche Hüte zu den Kronen hinein -- wenn auf der
andern Klotildens Florhut zieht? Da der Leser eben
so viel Verstand hat wie ich selber: so entscheid' er
hierauf. -- Dieser Hut gab ihm ein unaussprechli¬
ches Sehnen nach Maienthal und war für ihn ein
Dedikationskupfer, das ihm (wie durch eine investi¬
tura per pileum
) Klotilden erst schenkte; er stand
vor dieser Krone als Kronerbe -- jede Minute zog
seinen Kronwagen -- mit zwei großen Freudentro¬
pfen, die das glückliche Auge nicht faßte und sagte
langsam den Kopf wiegend: "Nein, das gütige
"Schicksal giebt mir zu viel -- Ach wie kann ich
"diese Seele vom Himmel verdienen? -- Ach ich
"werde bloß zu ihr sagen: "ich bin dein!" und spät
"einmal: du bist mein!" Und als gar seine Phan¬
tasie hinter der Flor-Jalousie die zwei großen Au¬
gen aufschloß, die sonst darunter die Thränen eines
zurückgestoßenen Herzens verborgen halten und als
er die entrückte Stimme wieder hinter diesem Sprach¬
gitter aus Schattenfäden reden ließ: so konnt' er
sich nicht mehr halten, sondern er schrieb -- damit
er nach Maienthal dürfe -- dem Hute gegenüber

den

will, wenn er dafuͤr den Florhut abſtehen ſoll. ..
Was koͤnnen die plumpeſten dickſten Kronen, die
man mir auf meinen Reiſen vorgezeigt, in der einen
Schaale wiegen — geſetzt man wuͤrfe auch noch ei¬
nige Tiaren und Dogemuͤtzen mit Buͤgeln und paͤbſt¬
liche Huͤte zu den Kronen hinein — wenn auf der
andern Klotildens Florhut zieht? Da der Leſer eben
ſo viel Verſtand hat wie ich ſelber: ſo entſcheid' er
hierauf. — Dieſer Hut gab ihm ein unausſprechli¬
ches Sehnen nach Maienthal und war fuͤr ihn ein
Dedikationskupfer, das ihm (wie durch eine investi¬
tura per pileum
) Klotilden erſt ſchenkte; er ſtand
vor dieſer Krone als Kronerbe — jede Minute zog
ſeinen Kronwagen — mit zwei großen Freudentro¬
pfen, die das gluͤckliche Auge nicht faßte und ſagte
langſam den Kopf wiegend: »Nein, das guͤtige
»Schickſal giebt mir zu viel — Ach wie kann ich
»dieſe Seele vom Himmel verdienen? — Ach ich
»werde bloß zu ihr ſagen: »ich bin dein!« und ſpaͤt
»einmal: du biſt mein!« Und als gar ſeine Phan¬
taſie hinter der Flor-Jalouſie die zwei großen Au¬
gen aufſchloß, die ſonſt darunter die Thraͤnen eines
zuruͤckgeſtoßenen Herzens verborgen halten und als
er die entruͤckte Stimme wieder hinter dieſem Sprach¬
gitter aus Schattenfaͤden reden ließ: ſo konnt' er
ſich nicht mehr halten, ſondern er ſchrieb — damit
er nach Maienthal duͤrfe — dem Hute gegenuͤber

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="32"/>
will, wenn er dafu&#x0364;r den <hi rendition="#g">Florhut</hi> ab&#x017F;tehen &#x017F;oll. ..<lb/>
Was ko&#x0364;nnen die plumpe&#x017F;ten dick&#x017F;ten Kronen, die<lb/>
man mir auf meinen Rei&#x017F;en vorgezeigt, in der einen<lb/>
Schaale wiegen &#x2014; ge&#x017F;etzt man wu&#x0364;rfe auch noch ei¬<lb/>
nige Tiaren und Dogemu&#x0364;tzen mit Bu&#x0364;geln und pa&#x0364;b&#x017F;<lb/>
liche Hu&#x0364;te zu den Kronen hinein &#x2014; wenn auf der<lb/>
andern Klotildens Florhut zieht? Da der Le&#x017F;er eben<lb/>
&#x017F;o viel Ver&#x017F;tand hat wie ich &#x017F;elber: &#x017F;o ent&#x017F;cheid' er<lb/>
hierauf. &#x2014; Die&#x017F;er Hut gab ihm ein unaus&#x017F;prechli¬<lb/>
ches Sehnen nach Maienthal und war fu&#x0364;r ihn ein<lb/>
Dedikationskupfer, das ihm (wie durch eine <hi rendition="#aq">investi¬<lb/>
tura per pileum</hi>) Klotilden er&#x017F;t &#x017F;chenkte; er &#x017F;tand<lb/>
vor die&#x017F;er Krone als Kronerbe &#x2014; jede Minute zog<lb/>
&#x017F;einen Kronwagen &#x2014; mit zwei großen Freudentro¬<lb/>
pfen, die das glu&#x0364;ckliche Auge nicht faßte und &#x017F;agte<lb/>
lang&#x017F;am den Kopf wiegend: »Nein, das gu&#x0364;tige<lb/>
»Schick&#x017F;al giebt mir zu viel &#x2014; Ach wie kann ich<lb/>
»die&#x017F;e Seele vom Himmel verdienen? &#x2014; Ach ich<lb/>
»werde bloß zu ihr &#x017F;agen: »ich bin dein!« und &#x017F;pa&#x0364;t<lb/>
»einmal: du bi&#x017F;t mein!« Und als gar &#x017F;eine Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie hinter der Flor-Jalou&#x017F;ie die zwei großen Au¬<lb/>
gen auf&#x017F;chloß, die &#x017F;on&#x017F;t darunter die Thra&#x0364;nen eines<lb/>
zuru&#x0364;ckge&#x017F;toßenen Herzens verborgen halten und als<lb/>
er die entru&#x0364;ckte Stimme wieder hinter die&#x017F;em Sprach¬<lb/>
gitter aus Schattenfa&#x0364;den reden ließ: &#x017F;o konnt' er<lb/>
&#x017F;ich nicht mehr halten, &#x017F;ondern er &#x017F;chrieb &#x2014; damit<lb/>
er nach Maienthal du&#x0364;rfe &#x2014; dem Hute gegenu&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0042] will, wenn er dafuͤr den Florhut abſtehen ſoll. .. Was koͤnnen die plumpeſten dickſten Kronen, die man mir auf meinen Reiſen vorgezeigt, in der einen Schaale wiegen — geſetzt man wuͤrfe auch noch ei¬ nige Tiaren und Dogemuͤtzen mit Buͤgeln und paͤbſt¬ liche Huͤte zu den Kronen hinein — wenn auf der andern Klotildens Florhut zieht? Da der Leſer eben ſo viel Verſtand hat wie ich ſelber: ſo entſcheid' er hierauf. — Dieſer Hut gab ihm ein unausſprechli¬ ches Sehnen nach Maienthal und war fuͤr ihn ein Dedikationskupfer, das ihm (wie durch eine investi¬ tura per pileum) Klotilden erſt ſchenkte; er ſtand vor dieſer Krone als Kronerbe — jede Minute zog ſeinen Kronwagen — mit zwei großen Freudentro¬ pfen, die das gluͤckliche Auge nicht faßte und ſagte langſam den Kopf wiegend: »Nein, das guͤtige »Schickſal giebt mir zu viel — Ach wie kann ich »dieſe Seele vom Himmel verdienen? — Ach ich »werde bloß zu ihr ſagen: »ich bin dein!« und ſpaͤt »einmal: du biſt mein!« Und als gar ſeine Phan¬ taſie hinter der Flor-Jalouſie die zwei großen Au¬ gen aufſchloß, die ſonſt darunter die Thraͤnen eines zuruͤckgeſtoßenen Herzens verborgen halten und als er die entruͤckte Stimme wieder hinter dieſem Sprach¬ gitter aus Schattenfaͤden reden ließ: ſo konnt' er ſich nicht mehr halten, ſondern er ſchrieb — damit er nach Maienthal duͤrfe — dem Hute gegenuͤber den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/42
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/42>, abgerufen am 25.04.2024.