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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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be. Eine Rührung, eine Thräne ist ein Schwur
vor dem Himmel, gut zu werden; -- aber eine
einzige Aufopferung stählet dich mehr als fünf Bu߬
thränen und zehn Kasualpredigten.

Ich habe nicht den Muth, es zu errathen, war¬
um die Fürstin die Uhr mit dem erotischen Einschluße,
den sie (schon nach dem Gespräch mit Tostato) ge¬
lesen haben muß, Joachimen in die Hände gegeben;
aber für die Spitzbuben, deren ich im Kapitel ihres
Augenverbandes und Kusses gedacht, ist das ein
Fund: das Geschenk der Uhr bestätigt sie ganz in
ihrer spitzbübischen Thesis; denn sie können -- ich
setze mich vergeblich dagegen -- das Geschenk für
ein Zeichen der italienischen Rache ausgeben, die
Agnola an der Nebenbuhlerin Joachime, der sie
Viktors Widerstand zuschreiben mußte, dadurch habe
nehmen wollen, daß sie ihr seine anderweitigen Lie¬
beserklärungen mitgetheilt.

Viktor nahm sich, indem er zu Hause die grösten
physischen Schritte machte, vor, ähnliche politische zu
thun und geradezu dem Fürsten zu bekennen: "es ist
"nicht viel über neun Monate, daß ich Höchstdero¬
"selben Braut mit einer schmalen Liebeserklärung
"behelligt habe, die sie gar noch nicht kann gelesen
"haben und die nun aus einer Hand in die andre
"geht." Aber jetzt war die Eröfnung der Uhrbrief¬
sache -- Halsbandsache hätt' ich beinahe geschrie¬

be. Eine Ruͤhrung, eine Thraͤne iſt ein Schwur
vor dem Himmel, gut zu werden; — aber eine
einzige Aufopferung ſtaͤhlet dich mehr als fuͤnf Bu߬
thraͤnen und zehn Kaſualpredigten.

Ich habe nicht den Muth, es zu errathen, war¬
um die Fuͤrſtin die Uhr mit dem erotiſchen Einſchluße,
den ſie (ſchon nach dem Geſpraͤch mit Toſtato) ge¬
leſen haben muß, Joachimen in die Haͤnde gegeben;
aber fuͤr die Spitzbuben, deren ich im Kapitel ihres
Augenverbandes und Kuſſes gedacht, iſt das ein
Fund: das Geſchenk der Uhr beſtaͤtigt ſie ganz in
ihrer ſpitzbuͤbiſchen Theſis; denn ſie koͤnnen — ich
ſetze mich vergeblich dagegen — das Geſchenk fuͤr
ein Zeichen der italieniſchen Rache ausgeben, die
Agnola an der Nebenbuhlerin Joachime, der ſie
Viktors Widerſtand zuſchreiben mußte, dadurch habe
nehmen wollen, daß ſie ihr ſeine anderweitigen Lie¬
beserklaͤrungen mitgetheilt.

Viktor nahm ſich, indem er zu Hauſe die groͤſten
phyſiſchen Schritte machte, vor, aͤhnliche politiſche zu
thun und geradezu dem Fuͤrſten zu bekennen: »es iſt
»nicht viel uͤber neun Monate, daß ich Hoͤchſtdero¬
»ſelben Braut mit einer ſchmalen Liebeserklaͤrung
»behelligt habe, die ſie gar noch nicht kann geleſen
»haben und die nun aus einer Hand in die andre
»geht.» Aber jetzt war die Eroͤfnung der Uhrbrief¬
ſache — Halsbandſache haͤtt' ich beinahe geſchrie¬

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[26/0036] be. Eine Ruͤhrung, eine Thraͤne iſt ein Schwur vor dem Himmel, gut zu werden; — aber eine einzige Aufopferung ſtaͤhlet dich mehr als fuͤnf Bu߬ thraͤnen und zehn Kaſualpredigten. Ich habe nicht den Muth, es zu errathen, war¬ um die Fuͤrſtin die Uhr mit dem erotiſchen Einſchluße, den ſie (ſchon nach dem Geſpraͤch mit Toſtato) ge¬ leſen haben muß, Joachimen in die Haͤnde gegeben; aber fuͤr die Spitzbuben, deren ich im Kapitel ihres Augenverbandes und Kuſſes gedacht, iſt das ein Fund: das Geſchenk der Uhr beſtaͤtigt ſie ganz in ihrer ſpitzbuͤbiſchen Theſis; denn ſie koͤnnen — ich ſetze mich vergeblich dagegen — das Geſchenk fuͤr ein Zeichen der italieniſchen Rache ausgeben, die Agnola an der Nebenbuhlerin Joachime, der ſie Viktors Widerſtand zuſchreiben mußte, dadurch habe nehmen wollen, daß ſie ihr ſeine anderweitigen Lie¬ beserklaͤrungen mitgetheilt. Viktor nahm ſich, indem er zu Hauſe die groͤſten phyſiſchen Schritte machte, vor, aͤhnliche politiſche zu thun und geradezu dem Fuͤrſten zu bekennen: »es iſt »nicht viel uͤber neun Monate, daß ich Hoͤchſtdero¬ »ſelben Braut mit einer ſchmalen Liebeserklaͤrung »behelligt habe, die ſie gar noch nicht kann geleſen »haben und die nun aus einer Hand in die andre »geht.» Aber jetzt war die Eroͤfnung der Uhrbrief¬ ſache — Halsbandſache haͤtt' ich beinahe geſchrie¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/36>, abgerufen am 29.03.2024.