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Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

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Was würde ge-
schehen, wenn der Aequa-
tor senkrecht auf
der Bahn stände?

wenn der Aequator senkrecht auf der
Bahn stände, oder wenn es mit der Erdbahn
zusammenfiele? Je größer die Schiefe der
Eccliptik ist, desto größer ist der Unterschied
der Jahreszeiten, fiele aber die Erdaxe
u. Erdbahn zusammen so würde in jeder
Hemisphäre eine Zeit Tag u. eine Zeit Nacht
sein, u. die Sonne in jeglicher Breite ein-
mal im Zentith u. einmal im Nadir ste-
hen. Stünde aber die Erdaxe senkrecht
Erdaxe
senkrecht.

auf der Bahn, so wäre Tag u. Nacht
gleich u. die Höhe der Sonne stets gleich
der Höhe des Aequators. Es würde
an jedem Orte eine ewig gleiche Tempe-
ratur herrschen, u. nach der Breite
desselben die mittlere Temperatur, die
für Berlin etwa 6°,8' wäre. Dem
letztern Zustande ist Jupiter sehr nahe,
der erstern Rand der Erde, auf ihrer
Bahn, kann keinen Grund abgeben für
die Tropengewächse die wir im hohen
Norden finden; denn wenn gleich dabei ein Pal-
menklima allenthalben sein kann, so lange
die Sonne im Zenit steht, so ist doch die
Zeit viel zu kurz, umdaß in derselben
große Gewächse gedeihen könnten, u. bald
tritt als dann die kalte Jahreszeit ein.
Jch selbst habe zwar Bergpalmen ge-
funden Zb. Wachspalme, deren untere
Grenze 900 Toisen u. deren höchste Grenze
1500 Toisen, also etwa 9000' ist;
allein auch in dieser bedeutenden
Höhe herrscht doch noch die mittlere

Tem-

Was würde ge-
ſchehen, weñ der Aequa-
tor ſenkrecht auf
der Bahn ſtände?

weñ der Aequator ſenkrecht auf der
Bahn ſtände, oder weñ es mit der Erdbahn
zuſam̃enfiele? Je größer die Schiefe der
Eccliptik iſt, deſto größer iſt der Unterſchied
der Jahreszeiten, fiele aber die Erdaxe
u. Erdbahn zuſam̃en ſo würde in jeder
Hemiſphäre eine Zeit Tag u. eine Zeit Nacht
ſein, u. die Soñe in jeglicher Breite ein-
mal im Zentith u. einmal im Nadir ſte-
hen. Stünde aber die Erdaxe ſenkrecht
Erdaxe
senkrecht.

auf der Bahn, ſo wäre Tag u. Nacht
gleich u. die Höhe der Soñe ſtets gleich
der Höhe des Aequators. Es würde
an jedem Orte eine ewig gleiche Tempe-
ratur herrſchen, u. nach der Breite
deſſelben die mittlere Temperatur, die
für Berlin etwa 6°,8′ wäre. Dem
letztern Zuſtande iſt Jupiter ſehr nahe,
der erſtern Rand der Erde, auf ihrer
Bahn, kañ keinen Grund abgeben für
die Tropengewächſe die wir im hohen
Norden finden; deñ weñ gleich dabei ein Pal-
menklima allenthalben ſein kañ, ſo lange
die Soñe im Zenit ſteht, ſo iſt doch die
Zeit viel zu kurz, umdaß in derſelben
große Gewächſe gedeihen köñten, u. bald
tritt als dañ die kalte Jahreszeit ein.
Jch ſelbſt habe zwar Bergpalmen ge-
funden Zb. Wachſpalme, deren untere
Grenze 900 Toiſen u. deren höchſte Grenze
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allein auch in dieſer bedeutenden
Höhe herrſcht doch noch die mittlere

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[119./0123] weñ der Aequator ſenkrecht auf der Bahn ſtände, oder weñ es mit der Erdbahn zuſam̃enfiele? Je größer die Schiefe der Eccliptik iſt, deſto größer iſt der Unterſchied der Jahreszeiten, fiele aber die Erdaxe u. Erdbahn zuſam̃en ſo würde in jeder Hemiſphäre eine Zeit Tag u. eine Zeit Nacht ſein, u. die Soñe in jeglicher Breite ein- mal im Zentith u. einmal im Nadir ſte- hen. Stünde aber die Erdaxe ſenkrecht auf der Bahn, ſo wäre Tag u. Nacht gleich u. die Höhe der Soñe ſtets gleich der Höhe des Aequators. Es würde an jedem Orte eine ewig gleiche Tempe- ratur herrſchen, u. nach der Breite deſſelb die mittlere Temperatur, die für Berlin etwa 6°,8′ wäre. Dem letztern Zuſtande iſt Jupiter ſehr nahe, der erſtern Rand der Erde, auf ihr Bahn, kañ keinen Grund abgeben für die Tropengewächſe die wir im hohen Norden finden; deñ weñ gleich dabei ein Pal- menklima allenthalb ſein kañ, ſo lange die Soñe im Zenit ſteht, ſo iſt doch die Zeit viel zu kurz, umdaß in derſelben große Gewächſe gedeih köñten, u. bald tritt als dañ die kalte Jahreszeit ein. Jch ſelbſt habe zwar Bergpalmen ge- funden Zb. Wachſpalme, der untere Grenze 900 Toiſ u. der höchſte Grenze 1500 Toiſ, alſo etwa 9000′ iſt; allein auch in dieſer bedeutenden Höhe herrſcht doch noch die mittlere Tem- Was würde ge- ſchehen, weñ der Aequa- tor ſenkrecht auf der Bahn ſtände? Erdaxe senkrecht.

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Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 119.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/123>, abgerufen am 19.04.2024.