Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

Bild:
<< vorherige Seite

digung die gute Stadt Karlsbad einem bedenk-
lichen Misgeschick verfallen. An einer der
nächsten Felswände war ein grosses Gerüst
errichtet, auf dem die böhmischen Bergleute
eine hohe Wand von Steinen erbauten. Diese
sollte nun Abends, sobald die Kaiserin auf ei-
nem gegenüberliegenden geeigneten Platze sich
niedergelassen, nach und nach wieder abgebaut
werden, und dahinter das französische Wappen
in reicher Lampenpracht erscheinen. Als dies
ausgeführt wurde, zeigten sich beim Sinken der
Steinwand zum Schrecken aller Anwesenden
die drei bourbonischen Lilien! Die Bergleute,
wenig vertraut mit dem, was über ihren Köpfen
auf der Oberfläche der Erde vorging, und wenig
erfahren in der Heraldik, hatten in irgend
einem alten Wappenbuche das französische
Wappen aufgesucht und getreulich dargestellt.

Die französischen Generale in der Umge-
bung der Kaiserin waren höchst ergrimmt und
veranlassten eine scharfe Untersuchung, bei der
die unwissende Unschuld der Betheiligten sich
so unzweifelhaft herausstellte, dass der Sache
weiter keine Folge gegeben ward.

digung die gute Stadt Karlsbad einem bedenk-
lichen Misgeschick verfallen. An einer der
nächsten Felswände war ein grosses Gerüst
errichtet, auf dem die böhmischen Bergleute
eine hohe Wand von Steinen erbauten. Diese
sollte nun Abends, sobald die Kaiserin auf ei-
nem gegenüberliegenden geeigneten Platze sich
niedergelassen, nach und nach wieder abgebaut
werden, und dahinter das französische Wappen
in reicher Lampenpracht erscheinen. Als dies
ausgeführt wurde, zeigten sich beim Sinken der
Steinwand zum Schrecken aller Anwesenden
die drei bourbonischen Lilien! Die Bergleute,
wenig vertraut mit dem, was über ihren Köpfen
auf der Oberfläche der Erde vorging, und wenig
erfahren in der Heraldik, hatten in irgend
einem alten Wappenbuche das französische
Wappen aufgesucht und getreulich dargestellt.

Die französischen Generale in der Umge-
bung der Kaiserin waren höchst ergrimmt und
veranlassten eine scharfe Untersuchung, bei der
die unwissende Unschuld der Betheiligten sich
so unzweifelhaft herausstellte, dass der Sache
weiter keine Folge gegeben ward.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0045" n="40"/>
        <p xml:id="ID_161" prev="#ID_160">     digung die gute Stadt Karlsbad einem bedenk-<lb/>
lichen Misgeschick verfallen. An einer der<lb/>
nächsten Felswände war ein grosses Gerüst<lb/>
errichtet, auf dem die böhmischen Bergleute<lb/>
eine hohe Wand von Steinen erbauten. Diese<lb/>
sollte nun Abends, sobald die Kaiserin auf ei-<lb/>
nem gegenüberliegenden geeigneten Platze sich<lb/>
niedergelassen, nach und nach wieder abgebaut<lb/>
werden, und dahinter das französische Wappen<lb/>
in reicher Lampenpracht erscheinen. Als dies<lb/>
ausgeführt wurde, zeigten sich beim Sinken der<lb/>
Steinwand zum Schrecken aller Anwesenden<lb/>
die drei bourbonischen Lilien! Die Bergleute,<lb/>
wenig vertraut mit dem, was über ihren Köpfen<lb/>
auf der Oberfläche der Erde vorging, und wenig<lb/>
erfahren in der Heraldik, hatten in irgend<lb/>
einem alten Wappenbuche das französische<lb/>
Wappen aufgesucht und getreulich dargestellt.     </p><lb/>
        <p xml:id="ID_162">     Die französischen Generale in der Umge-<lb/>
bung der Kaiserin waren höchst ergrimmt und<lb/>
veranlassten eine scharfe Untersuchung, bei der<lb/>
die unwissende Unschuld der Betheiligten sich<lb/>
so unzweifelhaft herausstellte, dass der Sache<lb/>
weiter keine Folge gegeben ward.     </p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0045] digung die gute Stadt Karlsbad einem bedenk- lichen Misgeschick verfallen. An einer der nächsten Felswände war ein grosses Gerüst errichtet, auf dem die böhmischen Bergleute eine hohe Wand von Steinen erbauten. Diese sollte nun Abends, sobald die Kaiserin auf ei- nem gegenüberliegenden geeigneten Platze sich niedergelassen, nach und nach wieder abgebaut werden, und dahinter das französische Wappen in reicher Lampenpracht erscheinen. Als dies ausgeführt wurde, zeigten sich beim Sinken der Steinwand zum Schrecken aller Anwesenden die drei bourbonischen Lilien! Die Bergleute, wenig vertraut mit dem, was über ihren Köpfen auf der Oberfläche der Erde vorging, und wenig erfahren in der Heraldik, hatten in irgend einem alten Wappenbuche das französische Wappen aufgesucht und getreulich dargestellt. Die französischen Generale in der Umge- bung der Kaiserin waren höchst ergrimmt und veranlassten eine scharfe Untersuchung, bei der die unwissende Unschuld der Betheiligten sich so unzweifelhaft herausstellte, dass der Sache weiter keine Folge gegeben ward.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-08-05T13:43:06Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/45
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/45>, abgerufen am 24.04.2024.