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Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862].

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gar nicht, und zieh nach einigen Huldigungs-
bezeugungen wieder ab.

Aber da könnte es ja vorkommen, er-
wiederte ich, dass Goethe von dem Briefe schon
Kunde erhalten hätte; nimm an, meine Schwester
hätte gleich nach unserer Abreise an ihre
Freundin, die schöne Laura Hufeland in Wei-
mar, der wir ja auch unsere Aufwartung
machen müssen, gemeldet, dass ich mit einem
Empfehlungsschreiben unterwegs sei. Laura
erzählt dies der jungen Frau v. Goethe, diese
theilt es ihrem Schwiegervater mit, und der
empfängt mich gleich mit den Worten: Sie
sind der Ueberbringer eines Briefes aus Berlin?
Wie würdest Du Dir da heraushelfen?

Paul entgegnete ohne Zögern:

"Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht."

Excellenz, würde ich sagen, ein Ueberbrin-
ger ist derjenige, welcher die reine Absicht hat
etwas zu überbringen, sonst wäre er ein Ueber-
bracht-habender; indem ich mir jener reinen
Absicht bewusst bin, wage ich es mich im
subjektiven Sinne einen Ueberbringer zu nen-
nen, aber das Objekt, der Brief, befindet sich

gar nicht, und zieh nach einigen Huldigungs-
bezeugungen wieder ab.

Aber da könnte es ja vorkommen, er-
wiederte ich, dass Goethe von dem Briefe schon
Kunde erhalten hätte; nimm an, meine Schwester
hätte gleich nach unserer Abreise an ihre
Freundin, die schöne Laura Hufeland in Wei-
mar, der wir ja auch unsere Aufwartung
machen müssen, gemeldet, dass ich mit einem
Empfehlungsschreiben unterwegs sei. Laura
erzählt dies der jungen Frau v. Goethe, diese
theilt es ihrem Schwiegervater mit, und der
empfängt mich gleich mit den Worten: Sie
sind der Ueberbringer eines Briefes aus Berlin?
Wie würdest Du Dir da heraushelfen?

Paul entgegnete ohne Zögern:

„Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht.“

Excellenz, würde ich sagen, ein Ueberbrin-
ger ist derjenige, welcher die reine Absicht hat
etwas zu überbringen, sonst wäre er ein Ueber-
bracht-habender; indem ich mir jener reinen
Absicht bewusst bin, wage ich es mich im
subjektiven Sinne einen Ueberbringer zu nen-
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[12/0017] gar nicht, und zieh nach einigen Huldigungs- bezeugungen wieder ab. Aber da könnte es ja vorkommen, er- wiederte ich, dass Goethe von dem Briefe schon Kunde erhalten hätte; nimm an, meine Schwester hätte gleich nach unserer Abreise an ihre Freundin, die schöne Laura Hufeland in Wei- mar, der wir ja auch unsere Aufwartung machen müssen, gemeldet, dass ich mit einem Empfehlungsschreiben unterwegs sei. Laura erzählt dies der jungen Frau v. Goethe, diese theilt es ihrem Schwiegervater mit, und der empfängt mich gleich mit den Worten: Sie sind der Ueberbringer eines Briefes aus Berlin? Wie würdest Du Dir da heraushelfen? Paul entgegnete ohne Zögern: „Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht.“ Excellenz, würde ich sagen, ein Ueberbrin- ger ist derjenige, welcher die reine Absicht hat etwas zu überbringen, sonst wäre er ein Ueber- bracht-habender; indem ich mir jener reinen Absicht bewusst bin, wage ich es mich im subjektiven Sinne einen Ueberbringer zu nen- nen, aber das Objekt, der Brief, befindet sich

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Ein verfehlter und ein gelungener Besuch bei Goethe. 1819 und 1827. Handschrift für Freunde. [Berlin], [1862], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_goethe_1819/17>, abgerufen am 18.04.2024.