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Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716.

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Beschreibung des Fichtelbergs.
mit Schrecken das ernste strenge Gerichte GOttes/ zu empfahen
den Werth ihrer Thaten. Er fähret fort: Was sie dann gewür-
cket bey Leibes Leben? Sie zeigen auf einen Vorhang/ dahinter
würde er finden die Zeichen und Zeugen ihrer Handlung. Er
ziehet hierauf den Vorhang von der Seiten/ siehet eine grosse
Menge allerhand mörderischer Waffen/ wie auch alte/ theils
halb/ theils gantz verwesete Materien unterschiedlicher Dingen
zusambt etlichen Menschen Gebeinen und Hirnschädeln/ woraus
erschienen/ daß ihre Wercke ihnen gefolget/ und daß sie Räuber
und Mörder gewesen. (Wie dann die Schlesische Chronick unter
andern vom Zottenberg und dem darauf zerstörten Raub-Schloß
[dessen Rudera noch vorhanden/] hievon auch gedencket.) Beer
fragte sie: Ob sie sich zu diesen Wercken bekenneten? sie sagten: ja;
Er: ob es gute oder böse Wercke? Sie sprachen: böse. Er: ob
es ihnen leid/ daß sie solche böse Wercke gethan? sie antworteten
nichts/ erzitterten nur. Er fragte ferner: ob sie bekenneten/ daß
sie gute Wercke hätten thun sollen? sie antworteten: Ja. Er: ob
sie auch noch gute Wercke würcken/ und gut seyn wolten? sie sag-
ten: sie wüsten es nicht. Beer sagte: GOtt das höchste Guth hat
alle Dinge/ sonderlich aber die Menschen gut/ und zu guten Wer-
cken erschaffen; weil ihr dann bekennet/ daß diese eure Wercke böse
seynd/ und ihr aber hättet gute Wercke thun sollen/ so müsset ihr
auch bekennen/ daß auch euch GOtt anfänglich gut/ und zum Gu-
ten erschaffen/ und ihr also gute Wercke thun sollet/ und könnet/
wann ihr nur selber wollet/ dann GOtt hat nichts böses gemachet/
noch unmögliches zu thun gebothen. Sie sagten/ sie wißten von
keinem Wollen/ könten in sich nichts finden/ noch empfinden/ Böses
oder Gutes zu wollen. Er hält also an/ und spricht: ihr sehet aus
eueren eigenen Worten/ daß ihr erstlich gut gewesen/ und Gutes ge-
wolt/ aber euch vom Guten entbrochen/ und böse worden/ dann es
ist nach GOtt kein Ding so gut/ es kan böse werden/ wann es sich
scheidet und trennet von GOttes guten Willen/ und sich kehret zu
seinem eignen bösen Willen; hingegen aber/ so ist es auch nicht so
böse/ es kan wieder gut werden/ wann es sich hält zu dem Gantzen/
wovon es abgewichen und getheilet/ und böse worden über und wi-

der
H 3

Beſchreibung des Fichtelbergs.
mit Schrecken das ernſte ſtrenge Gerichte GOttes/ zu empfahen
den Werth ihrer Thaten. Er faͤhret fort: Was ſie dann gewuͤr-
cket bey Leibes Leben? Sie zeigen auf einen Vorhang/ dahinter
wuͤrde er finden die Zeichen und Zeugen ihrer Handlung. Er
ziehet hierauf den Vorhang von der Seiten/ ſiehet eine groſſe
Menge allerhand moͤrderiſcher Waffen/ wie auch alte/ theils
halb/ theils gantz verweſete Materien unterſchiedlicher Dingen
zuſambt etlichen Menſchen Gebeinen und Hirnſchaͤdeln/ woraus
erſchienen/ daß ihre Wercke ihnen gefolget/ und daß ſie Raͤuber
und Moͤrder geweſen. (Wie dann die Schleſiſche Chronick unter
andern vom Zottenberg und dem darauf zerſtoͤrten Raub-Schloß
[deſſen Rudera noch vorhanden/] hievon auch gedencket.) Beer
fragte ſie: Ob ſie ſich zu dieſen Wercken bekenneten? ſie ſagten: ja;
Er: ob es gute oder boͤſe Wercke? Sie ſprachen: boͤſe. Er: ob
es ihnen leid/ daß ſie ſolche boͤſe Wercke gethan? ſie antworteten
nichts/ erzitterten nur. Er fragte ferner: ob ſie bekenneten/ daß
ſie gute Wercke haͤtten thun ſollen? ſie antworteten: Ja. Er: ob
ſie auch noch gute Wercke wuͤrcken/ und gut ſeyn wolten? ſie ſag-
ten: ſie wuͤſten es nicht. Beer ſagte: GOtt das hoͤchſte Guth hat
alle Dinge/ ſonderlich aber die Menſchen gut/ und zu guten Wer-
cken erſchaffen; weil ihr dann bekennet/ daß dieſe eure Wercke boͤſe
ſeynd/ und ihr aber haͤttet gute Wercke thun ſollen/ ſo muͤſſet ihr
auch bekennen/ daß auch euch GOtt anfaͤnglich gut/ und zum Gu-
ten erſchaffen/ und ihr alſo gute Wercke thun ſollet/ und koͤnnet/
wann ihr nur ſelber wollet/ dann GOtt hat nichts boͤſes gemachet/
noch unmoͤgliches zu thun gebothen. Sie ſagten/ ſie wißten von
keinem Wollen/ koͤnten in ſich nichts finden/ noch empfinden/ Boͤſes
oder Gutes zu wollen. Er haͤlt alſo an/ und ſpricht: ihr ſehet aus
eueren eigenen Worten/ daß ihr erſtlich gut geweſen/ und Gutes ge-
wolt/ aber euch vom Guten entbrochen/ und boͤſe worden/ dann es
iſt nach GOtt kein Ding ſo gut/ es kan boͤſe werden/ wann es ſich
ſcheidet und trennet von GOttes guten Willen/ und ſich kehret zu
ſeinem eignen boͤſen Willen; hingegen aber/ ſo iſt es auch nicht ſo
boͤſe/ es kan wieder gut werden/ wann es ſich haͤlt zu dem Gantzen/
wovon es abgewichen und getheilet/ und boͤſe worden uͤber und wi-

der
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Zitationshilfe: Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/80>, abgerufen am 25.04.2024.