Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung des Fichtelbergs.
de Art wie eine Seiden bereiten: Sie nehmen guten geschlach-eine Seide
werden solle.

ten Flachs/ hecheln ihn von Grund aus/ hernach bestreichen sie ihn
mit frischen Kälber-Koth/ lassen ihn 4. biß 5. Tage lang stehen/
und waschen ihn letzlich wieder wohl aus/ so solle er wie Seiden
werden/ und sehr subtil zu arbeiten seyn.

Einige haben die Gewohnheit/ daß sie vor dem säen dieDaß die
Feld-Früch-
te wohl
wachsen.

Frucht in Mistpfützen-Wasser eine Nacht liegen lassen/ da dann
der Saamen so starck treiben solle/ daß auch auf ungetüngten Fel-
dern eine schöne Frucht wachse.

Daß aber kein Geträyde brandicht werde/ so vorschlagenDaß das
Geträyde
nicht bran-
dicht werde.

etliche bald einige Garben desselben zusammen/ schütten es auf den
Boden/ breiten es aus/ daß es auffs höchste nur einer Handdück
lieget/ sieben alsdann Holtz-Aschen darein/ rühren es wohl durch-
einander/ und säen es aus/ wann die Sonne in der Wage ist/
welches allein vom Rocken und Weitzen zu verstehen. Bey dem
Sommerbau aber pflegen sie den Saamen auszusäen/ wann
der Mond in der Waag/ Zwilling/ oder Wassermann ist/ wann
es nehmlich die Witterung zulässet. Viele sind/ die da meinen/
die beste Winter-Saat wäre am allerheiligen Tag anzustellen/
welches dann erst geschehe/ wann die Sonne im Scorpion lauf-
fet/ allwo man sich aber gleichfals nach der Witterung zu richten
hat. Dann es geschicht offt/ daß umb diese Zeit/ an und auf dem
Fichtelberg ein hefftiger Frost und rechter Winter ist/ ja es ist
manchmahl hart am Gebürg starck gefrohren/ und liegt ein ziem-
licher Schnee/ da hingegen etwan 1. oder 2. Stunden davon es
linde genug ist/ daß man gar wohl zu Felde ziehen kan.

Etliche Fichtelberger pflegen sehr auf die Neue-Jahrs-NachtVorbedeu-
tung was
vor ein Jahr
werden solle.

achtung zu haben/ dann wann die Lufft helle und stille daran ist/
bedeutet es ihnen ein gutes Jahr; ist aber Nebel an dem Wald/
so förchten sie sich vor einem Viehe-Sterb/ wo aber der Nebel
das gantze Land bedecket/ sind sie eines Sterbens unter denen Men-
schen besorgt; kommet ein Wind von denen 4. Gegenden der Welt
einer/ sind sie wegen eines Kriegs von dorther bekümmert; wo
aber ein ungestimmer Regen fället/ so prognosticiren sie einen Miß-
wachs und grosse Theurung. Wann aber dergleichen Witterung

eine

Beſchreibung des Fichtelbergs.
de Art wie eine Seiden bereiten: Sie nehmen guten geſchlach-eine Seide
werdẽ ſolle.

ten Flachs/ hecheln ihn von Grund aus/ hernach beſtreichen ſie ihn
mit friſchen Kaͤlber-Koth/ laſſen ihn 4. biß 5. Tage lang ſtehen/
und waſchen ihn letzlich wieder wohl aus/ ſo ſolle er wie Seiden
werden/ und ſehr ſubtil zu arbeiten ſeyn.

Einige haben die Gewohnheit/ daß ſie vor dem ſaͤen dieDaß die
Feld-Fruͤch-
te wohl
wachſen.

Frucht in Miſtpfuͤtzen-Waſſer eine Nacht liegen laſſen/ da dann
der Saamen ſo ſtarck treiben ſolle/ daß auch auf ungetuͤngten Fel-
dern eine ſchoͤne Frucht wachſe.

Daß aber kein Getraͤyde brandicht werde/ ſo vorſchlagenDaß das
Getraͤyde
nicht bran-
dicht werde.

etliche bald einige Garben deſſelben zuſammen/ ſchuͤtten es auf den
Boden/ breiten es aus/ daß es auffs hoͤchſte nur einer Handduͤck
lieget/ ſieben alsdann Holtz-Aſchen darein/ ruͤhren es wohl durch-
einander/ und ſaͤen es aus/ wann die Sonne in der Wage iſt/
welches allein vom Rocken und Weitzen zu verſtehen. Bey dem
Sommerbau aber pflegen ſie den Saamen auszuſaͤen/ wann
der Mond in der Waag/ Zwilling/ oder Waſſermann iſt/ wann
es nehmlich die Witterung zulaͤſſet. Viele ſind/ die da meinen/
die beſte Winter-Saat waͤre am allerheiligen Tag anzuſtellen/
welches dann erſt geſchehe/ wann die Sonne im Scorpion lauf-
fet/ allwo man ſich aber gleichfals nach der Witterung zu richten
hat. Dann es geſchicht offt/ daß umb dieſe Zeit/ an und auf dem
Fichtelberg ein hefftiger Froſt und rechter Winter iſt/ ja es iſt
manchmahl hart am Gebuͤrg ſtarck gefrohren/ und liegt ein ziem-
licher Schnee/ da hingegen etwan 1. oder 2. Stunden davon es
linde genug iſt/ daß man gar wohl zu Felde ziehen kan.

Etliche Fichtelberger pflegen ſehr auf die Neue-Jahrs-NachtVorbedeu-
tung was
vor ein Jahꝛ
werdẽ ſolle.

achtung zu haben/ dann wann die Lufft helle und ſtille daran iſt/
bedeutet es ihnen ein gutes Jahr; iſt aber Nebel an dem Wald/
ſo foͤrchten ſie ſich vor einem Viehe-Sterb/ wo aber der Nebel
das gantze Land bedecket/ ſind ſie eines Sterbens unter denen Men-
ſchen beſorgt; kommet ein Wind von denen 4. Gegenden der Welt
einer/ ſind ſie wegen eines Kriegs von dorther bekuͤmmert; wo
aber ein ungeſtimmer Regen faͤllet/ ſo prognoſticiren ſie einen Miß-
wachs und groſſe Theurung. Wann aber dergleichen Witterung

eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0194" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chreibung des Fichtelbergs.</hi></fw><lb/>
de Art wie eine Seiden bereiten: Sie nehmen guten ge&#x017F;chlach-<note place="right">eine Seide<lb/>
werd&#x1EBD; &#x017F;olle.</note><lb/>
ten Flachs/ hecheln ihn von Grund aus/ hernach be&#x017F;treichen &#x017F;ie ihn<lb/>
mit fri&#x017F;chen Ka&#x0364;lber-Koth/ la&#x017F;&#x017F;en ihn 4. biß 5. Tage lang &#x017F;tehen/<lb/>
und wa&#x017F;chen ihn letzlich wieder wohl aus/ &#x017F;o &#x017F;olle er wie Seiden<lb/>
werden/ und &#x017F;ehr <hi rendition="#aq">&#x017F;ubtil</hi> zu arbeiten &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Einige haben die Gewohnheit/ daß &#x017F;ie vor dem &#x017F;a&#x0364;en die<note place="right">Daß die<lb/>
Feld-Fru&#x0364;ch-<lb/>
te wohl<lb/>
wach&#x017F;en.</note><lb/>
Frucht in Mi&#x017F;tpfu&#x0364;tzen-Wa&#x017F;&#x017F;er eine Nacht liegen la&#x017F;&#x017F;en/ da dann<lb/>
der Saamen &#x017F;o &#x017F;tarck treiben &#x017F;olle/ daß auch auf ungetu&#x0364;ngten Fel-<lb/>
dern eine &#x017F;cho&#x0364;ne Frucht wach&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Daß aber kein Getra&#x0364;yde brandicht werde/ &#x017F;o vor&#x017F;chlagen<note place="right">Daß das<lb/>
Getra&#x0364;yde<lb/>
nicht bran-<lb/>
dicht werde.</note><lb/>
etliche bald einige Garben de&#x017F;&#x017F;elben zu&#x017F;ammen/ &#x017F;chu&#x0364;tten es auf den<lb/>
Boden/ breiten es aus/ daß es auffs ho&#x0364;ch&#x017F;te nur einer Handdu&#x0364;ck<lb/>
lieget/ &#x017F;ieben alsdann Holtz-A&#x017F;chen darein/ ru&#x0364;hren es wohl durch-<lb/>
einander/ und &#x017F;a&#x0364;en es aus/ wann die Sonne in der Wage i&#x017F;t/<lb/>
welches allein vom Rocken und Weitzen zu ver&#x017F;tehen. Bey dem<lb/>
Sommerbau aber pflegen &#x017F;ie den Saamen auszu&#x017F;a&#x0364;en/ wann<lb/>
der Mond in der Waag/ Zwilling/ oder Wa&#x017F;&#x017F;ermann i&#x017F;t/ wann<lb/>
es nehmlich die Witterung zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Viele &#x017F;ind/ die da meinen/<lb/>
die be&#x017F;te Winter-Saat wa&#x0364;re am allerheiligen Tag anzu&#x017F;tellen/<lb/>
welches dann er&#x017F;t ge&#x017F;chehe/ wann die Sonne im Scorpion lauf-<lb/>
fet/ allwo man &#x017F;ich aber gleichfals nach der Witterung zu richten<lb/>
hat. Dann es ge&#x017F;chicht offt/ daß umb die&#x017F;e Zeit/ an und auf dem<lb/>
Fichtelberg ein hefftiger Fro&#x017F;t und rechter Winter i&#x017F;t/ ja es i&#x017F;t<lb/>
manchmahl hart am Gebu&#x0364;rg &#x017F;tarck gefrohren/ und liegt ein ziem-<lb/>
licher Schnee/ da hingegen etwan 1. oder 2. Stunden davon es<lb/>
linde genug i&#x017F;t/ daß man gar wohl zu Felde ziehen kan.</p><lb/>
            <p>Etliche Fichtelberger pflegen &#x017F;ehr auf die Neue-Jahrs-Nacht<note place="right">Vorbedeu-<lb/>
tung was<lb/>
vor ein Jah&#xA75B;<lb/>
werd&#x1EBD; &#x017F;olle.</note><lb/>
achtung zu haben/ dann wann die Lufft helle und &#x017F;tille daran i&#x017F;t/<lb/>
bedeutet es ihnen ein gutes Jahr; i&#x017F;t aber Nebel an dem Wald/<lb/>
&#x017F;o fo&#x0364;rchten &#x017F;ie &#x017F;ich vor einem Viehe-Sterb/ wo aber der Nebel<lb/>
das gantze Land bedecket/ &#x017F;ind &#x017F;ie eines Sterbens unter denen Men-<lb/>
&#x017F;chen be&#x017F;orgt; kommet ein Wind von denen 4. Gegenden der Welt<lb/>
einer/ &#x017F;ind &#x017F;ie wegen eines Kriegs von dorther beku&#x0364;mmert; wo<lb/>
aber ein unge&#x017F;timmer Regen fa&#x0364;llet/ &#x017F;o <hi rendition="#aq">progno&#x017F;ticir</hi>en &#x017F;ie einen Miß-<lb/>
wachs und gro&#x017F;&#x017F;e Theurung. Wann aber dergleichen Witterung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0194] Beſchreibung des Fichtelbergs. de Art wie eine Seiden bereiten: Sie nehmen guten geſchlach- ten Flachs/ hecheln ihn von Grund aus/ hernach beſtreichen ſie ihn mit friſchen Kaͤlber-Koth/ laſſen ihn 4. biß 5. Tage lang ſtehen/ und waſchen ihn letzlich wieder wohl aus/ ſo ſolle er wie Seiden werden/ und ſehr ſubtil zu arbeiten ſeyn. eine Seide werdẽ ſolle. Einige haben die Gewohnheit/ daß ſie vor dem ſaͤen die Frucht in Miſtpfuͤtzen-Waſſer eine Nacht liegen laſſen/ da dann der Saamen ſo ſtarck treiben ſolle/ daß auch auf ungetuͤngten Fel- dern eine ſchoͤne Frucht wachſe. Daß die Feld-Fruͤch- te wohl wachſen. Daß aber kein Getraͤyde brandicht werde/ ſo vorſchlagen etliche bald einige Garben deſſelben zuſammen/ ſchuͤtten es auf den Boden/ breiten es aus/ daß es auffs hoͤchſte nur einer Handduͤck lieget/ ſieben alsdann Holtz-Aſchen darein/ ruͤhren es wohl durch- einander/ und ſaͤen es aus/ wann die Sonne in der Wage iſt/ welches allein vom Rocken und Weitzen zu verſtehen. Bey dem Sommerbau aber pflegen ſie den Saamen auszuſaͤen/ wann der Mond in der Waag/ Zwilling/ oder Waſſermann iſt/ wann es nehmlich die Witterung zulaͤſſet. Viele ſind/ die da meinen/ die beſte Winter-Saat waͤre am allerheiligen Tag anzuſtellen/ welches dann erſt geſchehe/ wann die Sonne im Scorpion lauf- fet/ allwo man ſich aber gleichfals nach der Witterung zu richten hat. Dann es geſchicht offt/ daß umb dieſe Zeit/ an und auf dem Fichtelberg ein hefftiger Froſt und rechter Winter iſt/ ja es iſt manchmahl hart am Gebuͤrg ſtarck gefrohren/ und liegt ein ziem- licher Schnee/ da hingegen etwan 1. oder 2. Stunden davon es linde genug iſt/ daß man gar wohl zu Felde ziehen kan. Daß das Getraͤyde nicht bran- dicht werde. Etliche Fichtelberger pflegen ſehr auf die Neue-Jahrs-Nacht achtung zu haben/ dann wann die Lufft helle und ſtille daran iſt/ bedeutet es ihnen ein gutes Jahr; iſt aber Nebel an dem Wald/ ſo foͤrchten ſie ſich vor einem Viehe-Sterb/ wo aber der Nebel das gantze Land bedecket/ ſind ſie eines Sterbens unter denen Men- ſchen beſorgt; kommet ein Wind von denen 4. Gegenden der Welt einer/ ſind ſie wegen eines Kriegs von dorther bekuͤmmert; wo aber ein ungeſtimmer Regen faͤllet/ ſo prognoſticiren ſie einen Miß- wachs und groſſe Theurung. Wann aber dergleichen Witterung eine Vorbedeu- tung was vor ein Jahꝛ werdẽ ſolle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/194
Zitationshilfe: Pachelbel-Gehag, Johann Christoph von: Ausführliche Beschreibung Des Fichtel-Berges, Jn Norgau liegend. Leipzig, 1716, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pachelbel_fichtelberg_1716/194>, abgerufen am 29.03.2024.