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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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die Freiheit haben zu verhungern -- wir sind keine Sclaven -- unser Herr kann uns fortjagen, wenn wir ihm nicht zu Willen sind -- aber so ist es einmal, dem Reichen gehört die Welt -- bis sich einmal das Ding umkehren und der Reiche der Welt gehören wird." Zu Franz sagte er dann halblaut: "Was meinst Du nun, Bruder? Was Du mühsam Jahre lang ringend aufgebaut, um Deine Kameraden für Menschenwürde zu erziehen, um sie zu sittlicher Erstarkung zu führen, um sie vor der äußersten Noth zu bewahren -- das sinkt nun Alles in Nichts zusammen vor dem Machtwort des reichen Tyrannen. Was meinst Du nun? Glaubst Du nun, daß es für uns besser werden könne, so lange wir die Sclaven der Reichen bleiben, so lange wir vor jeder Selbsthülfe feig zurückschaudern?"

"Laß' mich jetzt, Wilhelm!" bat Franz mit wehmüthiger Stimme, "laß' mich, bis ich mit mir selbst zu Rathe gegangen; zu unerwartet kam der Schlag."

Wilhelm lachte höhnisch.

Nach dem Feierabend ging Franz auf der Straße nach Hohenheim. So entmuthigt, so niedergeschlagen wie jetzt, war er noch niemals gewesen. Wie ein Schlag aus blauem Himmel war ihm diese neue unerhörte Strenge des Fabrikherrn gekommen. Er hatte ja von Anfang an Nichts gegen den Verein gehabt, als ihn Franz zuerst davon benachrichtigt

die Freiheit haben zu verhungern — wir sind keine Sclaven — unser Herr kann uns fortjagen, wenn wir ihm nicht zu Willen sind — aber so ist es einmal, dem Reichen gehört die Welt — bis sich einmal das Ding umkehren und der Reiche der Welt gehören wird.“ Zu Franz sagte er dann halblaut: „Was meinst Du nun, Bruder? Was Du mühsam Jahre lang ringend aufgebaut, um Deine Kameraden für Menschenwürde zu erziehen, um sie zu sittlicher Erstarkung zu führen, um sie vor der äußersten Noth zu bewahren — das sinkt nun Alles in Nichts zusammen vor dem Machtwort des reichen Tyrannen. Was meinst Du nun? Glaubst Du nun, daß es für uns besser werden könne, so lange wir die Sclaven der Reichen bleiben, so lange wir vor jeder Selbsthülfe feig zurückschaudern?“

„Laß’ mich jetzt, Wilhelm!“ bat Franz mit wehmüthiger Stimme, „laß’ mich, bis ich mit mir selbst zu Rathe gegangen; zu unerwartet kam der Schlag.“

Wilhelm lachte höhnisch.

Nach dem Feierabend ging Franz auf der Straße nach Hohenheim. So entmuthigt, so niedergeschlagen wie jetzt, war er noch niemals gewesen. Wie ein Schlag aus blauem Himmel war ihm diese neue unerhörte Strenge des Fabrikherrn gekommen. Er hatte ja von Anfang an Nichts gegen den Verein gehabt, als ihn Franz zuerst davon benachrichtigt

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[25/0029] die Freiheit haben zu verhungern — wir sind keine Sclaven — unser Herr kann uns fortjagen, wenn wir ihm nicht zu Willen sind — aber so ist es einmal, dem Reichen gehört die Welt — bis sich einmal das Ding umkehren und der Reiche der Welt gehören wird.“ Zu Franz sagte er dann halblaut: „Was meinst Du nun, Bruder? Was Du mühsam Jahre lang ringend aufgebaut, um Deine Kameraden für Menschenwürde zu erziehen, um sie zu sittlicher Erstarkung zu führen, um sie vor der äußersten Noth zu bewahren — das sinkt nun Alles in Nichts zusammen vor dem Machtwort des reichen Tyrannen. Was meinst Du nun? Glaubst Du nun, daß es für uns besser werden könne, so lange wir die Sclaven der Reichen bleiben, so lange wir vor jeder Selbsthülfe feig zurückschaudern?“ „Laß’ mich jetzt, Wilhelm!“ bat Franz mit wehmüthiger Stimme, „laß’ mich, bis ich mit mir selbst zu Rathe gegangen; zu unerwartet kam der Schlag.“ Wilhelm lachte höhnisch. Nach dem Feierabend ging Franz auf der Straße nach Hohenheim. So entmuthigt, so niedergeschlagen wie jetzt, war er noch niemals gewesen. Wie ein Schlag aus blauem Himmel war ihm diese neue unerhörte Strenge des Fabrikherrn gekommen. Er hatte ja von Anfang an Nichts gegen den Verein gehabt, als ihn Franz zuerst davon benachrichtigt

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/29>, abgerufen am 29.03.2024.