Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

sie sich sehr verlassen und einsam, und da sie zu kränklich ist, um nur irgendwie dem Hauswesen noch vorstehen zu können, hingegen einer weiblichen Pflege und Umgebung bedarf, so hat sie sich eine Gesellschafterin in's Haus genommen. Erst hatte die Tante ihre Tochter in deren neue Heimath begleitet, mit dem festen Entschluß, sich selbst dort anzusiedeln -- allein das gebirgige Klima hat ihr nicht zugesagt, die Aerzte haben es ihr als eine Unmöglichkeit geschildert, daß sie dort länger als ein paar Wochen zubringen könne, ohne ihre Gesundheit ganz zu untergraben. So hat sie denn nachgeben und ihren frühern Wohnort behalten müssen. Sehr verstimmt kam sie dahin zurück und bat mich zu ihr zu kommen, um ihr wenigstens auf kurze Zeit die Tochter zu ersetzen zu suchen. Wie ich nun ankam, war bereits davon die Rede, daß sie eine Wasserheilanstalt besuchen solle -- es fragte sich nur welche? Ich war natürlich gleich für Hohenheim um Deiner Nähe willen, doch flüsterte man sich in der Residenz leise zu: eigentlich sei die hiesige Anstalt erbärmlich, und Alles, was man darüber geschrieben und lobpreisend gefabelt, sei Nichts als eine Mystification des Publikums, eine neue Art Markschreierei, welche der Wasserdoctor von Hohenheim zu seinem Vortheil erfunden habe."

Jaromir lachte und sagte: "Man thut dem guten Doctor Unrecht -- an der ganzen Mystification sind Sie

sie sich sehr verlassen und einsam, und da sie zu kränklich ist, um nur irgendwie dem Hauswesen noch vorstehen zu können, hingegen einer weiblichen Pflege und Umgebung bedarf, so hat sie sich eine Gesellschafterin in’s Haus genommen. Erst hatte die Tante ihre Tochter in deren neue Heimath begleitet, mit dem festen Entschluß, sich selbst dort anzusiedeln — allein das gebirgige Klima hat ihr nicht zugesagt, die Aerzte haben es ihr als eine Unmöglichkeit geschildert, daß sie dort länger als ein paar Wochen zubringen könne, ohne ihre Gesundheit ganz zu untergraben. So hat sie denn nachgeben und ihren frühern Wohnort behalten müssen. Sehr verstimmt kam sie dahin zurück und bat mich zu ihr zu kommen, um ihr wenigstens auf kurze Zeit die Tochter zu ersetzen zu suchen. Wie ich nun ankam, war bereits davon die Rede, daß sie eine Wasserheilanstalt besuchen solle — es fragte sich nur welche? Ich war natürlich gleich für Hohenheim um Deiner Nähe willen, doch flüsterte man sich in der Residenz leise zu: eigentlich sei die hiesige Anstalt erbärmlich, und Alles, was man darüber geschrieben und lobpreisend gefabelt, sei Nichts als eine Mystification des Publikums, eine neue Art Markschreierei, welche der Wasserdoctor von Hohenheim zu seinem Vortheil erfunden habe.“

Jaromir lachte und sagte: „Man thut dem guten Doctor Unrecht — an der ganzen Mystification sind Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="15"/>
sie sich sehr verlassen und einsam, und da sie zu kränklich ist, um nur irgendwie dem Hauswesen noch vorstehen zu können, hingegen einer weiblichen Pflege und Umgebung bedarf, so hat sie sich eine Gesellschafterin in&#x2019;s Haus genommen. Erst hatte die Tante ihre Tochter in deren neue Heimath begleitet, mit dem festen Entschluß, sich selbst dort anzusiedeln &#x2014; allein das gebirgige Klima hat ihr nicht zugesagt, die Aerzte haben es ihr als eine Unmöglichkeit geschildert, daß sie dort länger als ein paar Wochen zubringen könne, ohne ihre Gesundheit ganz zu untergraben. So hat sie denn nachgeben und ihren frühern Wohnort behalten müssen. Sehr verstimmt kam sie dahin zurück und bat mich zu ihr zu kommen, um ihr wenigstens auf kurze Zeit die Tochter zu ersetzen zu suchen. Wie ich nun ankam, war bereits davon die Rede, daß sie eine Wasserheilanstalt besuchen solle &#x2014; es fragte sich nur welche? Ich war natürlich gleich für Hohenheim um Deiner Nähe willen, doch flüsterte man sich in der Residenz leise zu: eigentlich sei die hiesige Anstalt erbärmlich, und Alles, was man darüber geschrieben und lobpreisend gefabelt, sei Nichts als eine Mystification des Publikums, eine neue Art Markschreierei, welche der Wasserdoctor von Hohenheim zu seinem Vortheil erfunden habe.&#x201C;</p>
        <p>Jaromir lachte und sagte: &#x201E;Man thut dem guten Doctor Unrecht &#x2014; an der ganzen Mystification sind Sie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0019] sie sich sehr verlassen und einsam, und da sie zu kränklich ist, um nur irgendwie dem Hauswesen noch vorstehen zu können, hingegen einer weiblichen Pflege und Umgebung bedarf, so hat sie sich eine Gesellschafterin in’s Haus genommen. Erst hatte die Tante ihre Tochter in deren neue Heimath begleitet, mit dem festen Entschluß, sich selbst dort anzusiedeln — allein das gebirgige Klima hat ihr nicht zugesagt, die Aerzte haben es ihr als eine Unmöglichkeit geschildert, daß sie dort länger als ein paar Wochen zubringen könne, ohne ihre Gesundheit ganz zu untergraben. So hat sie denn nachgeben und ihren frühern Wohnort behalten müssen. Sehr verstimmt kam sie dahin zurück und bat mich zu ihr zu kommen, um ihr wenigstens auf kurze Zeit die Tochter zu ersetzen zu suchen. Wie ich nun ankam, war bereits davon die Rede, daß sie eine Wasserheilanstalt besuchen solle — es fragte sich nur welche? Ich war natürlich gleich für Hohenheim um Deiner Nähe willen, doch flüsterte man sich in der Residenz leise zu: eigentlich sei die hiesige Anstalt erbärmlich, und Alles, was man darüber geschrieben und lobpreisend gefabelt, sei Nichts als eine Mystification des Publikums, eine neue Art Markschreierei, welche der Wasserdoctor von Hohenheim zu seinem Vortheil erfunden habe.“ Jaromir lachte und sagte: „Man thut dem guten Doctor Unrecht — an der ganzen Mystification sind Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/19
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/19>, abgerufen am 29.03.2024.