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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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geführt, in das Zimmer, in welchem Amalie angekleidet auf dem Bette lag, und sagte zu ihr mild:

"Bist Du stark genug, Szariny zu empfangen? Er wartet draußen."

"Ich hörte seine Stimme längst, warum läßt Du ihn warten?" rief sie ungeduldig.

Szariny trat ein.

Welch ein Wiedersehen!

Er ein glücklicher, lebensfroher und lebensfrischer Jüngling, Sie ein glückliches, blühendes Mädchen -- beide glücklich allein durch die zärtliche Liebe, in welcher sie für einander schwärmten und glühten -- so hatten sie einst einander verlassen mit den heiligsten Liebesschwüren.

Vier Jahre waren seitdem vergangen.

Jetzt sahen sie sich wieder. Sie hatte ihn wieder erkannt, denn sie liebte ihn noch, und das liebende Frauenherz findet aus Tausenden den wieder heraus, dem es in' Liebe schlägt -- und trotz der Macht der Jahre, jedes äußeren Einflusses den Gemüthsbewegungen und Leidenschaften, äußere und innere Leiden, ja selbst Lebensverhältnisse und Tracht auf eine Menschengestalt und ein Antlitz ausüben. So hatte sie ihn erkannt. Aber hätte man ihm nicht gesagt, diese bleiche Kranke sei Amalie -- er hätte es nimmer geglaubt.

Vielleicht hatten die innern, steten Kämpfe Amaliens

geführt, in das Zimmer, in welchem Amalie angekleidet auf dem Bette lag, und sagte zu ihr mild:

„Bist Du stark genug, Szariny zu empfangen? Er wartet draußen.“

„Ich hörte seine Stimme längst, warum läßt Du ihn warten?“ rief sie ungeduldig.

Szariny trat ein.

Welch ein Wiedersehen!

Er ein glücklicher, lebensfroher und lebensfrischer Jüngling, Sie ein glückliches, blühendes Mädchen — beide glücklich allein durch die zärtliche Liebe, in welcher sie für einander schwärmten und glühten — so hatten sie einst einander verlassen mit den heiligsten Liebesschwüren.

Vier Jahre waren seitdem vergangen.

Jetzt sahen sie sich wieder. Sie hatte ihn wieder erkannt, denn sie liebte ihn noch, und das liebende Frauenherz findet aus Tausenden den wieder heraus, dem es in’ Liebe schlägt — und trotz der Macht der Jahre, jedes äußeren Einflusses den Gemüthsbewegungen und Leidenschaften, äußere und innere Leiden, ja selbst Lebensverhältnisse und Tracht auf eine Menschengestalt und ein Antlitz ausüben. So hatte sie ihn erkannt. Aber hätte man ihm nicht gesagt, diese bleiche Kranke sei Amalie — er hätte es nimmer geglaubt.

Vielleicht hatten die innern, steten Kämpfe Amaliens

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[71/0081] geführt, in das Zimmer, in welchem Amalie angekleidet auf dem Bette lag, und sagte zu ihr mild: „Bist Du stark genug, Szariny zu empfangen? Er wartet draußen.“ „Ich hörte seine Stimme längst, warum läßt Du ihn warten?“ rief sie ungeduldig. Szariny trat ein. Welch ein Wiedersehen! Er ein glücklicher, lebensfroher und lebensfrischer Jüngling, Sie ein glückliches, blühendes Mädchen — beide glücklich allein durch die zärtliche Liebe, in welcher sie für einander schwärmten und glühten — so hatten sie einst einander verlassen mit den heiligsten Liebesschwüren. Vier Jahre waren seitdem vergangen. Jetzt sahen sie sich wieder. Sie hatte ihn wieder erkannt, denn sie liebte ihn noch, und das liebende Frauenherz findet aus Tausenden den wieder heraus, dem es in’ Liebe schlägt — und trotz der Macht der Jahre, jedes äußeren Einflusses den Gemüthsbewegungen und Leidenschaften, äußere und innere Leiden, ja selbst Lebensverhältnisse und Tracht auf eine Menschengestalt und ein Antlitz ausüben. So hatte sie ihn erkannt. Aber hätte man ihm nicht gesagt, diese bleiche Kranke sei Amalie — er hätte es nimmer geglaubt. Vielleicht hatten die innern, steten Kämpfe Amaliens

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/81>, abgerufen am 29.03.2024.