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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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"ich habe gar nicht gewußt, daß sie hier ist. --"

Thalheim sagte, mit einem langen Blick auf den Grafen: "Sie hat Ihnen eine Rose mit einem Zettel zugeworfen, als Sie unter ihren Fenstern weilten --"

"Unter ihren Fenstern -- die Rose kam von Amalien?" rief Jaromir, immer verwunderter und bestürzter. "Wahrhaftig, der Zufall treibt ein närrisch Spiel mit mir!" und ein bittres und schmerzliches Lächeln zuckte dabei um seinen Mund.

Thalheim starrte ihn verwundert an -- auch um seinen Mund zuckte ein bittres Lachen -- er verstand jetzt Alles: der Graf hatte Amalien längst vergessen, und nicht um ihret Willen sah er leidend aus, nicht um ihret Willen war er in diese Stadt gekommen -- aus andern zarten Händen hatte er gehofft, Rosen und geschriebene Worte zu empfangen, als aus ihren -- es war der Selbstbetrug der Liebe, welcher Amaliens Herz und Sinne gefangen genommen. So sagte er jetzt sehr ernst, beinah feierlich zu Jaromir:

"Herr Graf, Amalie glaubt sich von Ihnen noch geliebt -- schonen Sie die Sterbende, ohne sie zu täuschen -- vergeben Sie ihr als ein milder, mitleidiger Richter." Er trat jetzt aus dem Vorsaal, in dem beide leise diese Unterredung

„ich habe gar nicht gewußt, daß sie hier ist. —“

Thalheim sagte, mit einem langen Blick auf den Grafen: „Sie hat Ihnen eine Rose mit einem Zettel zugeworfen, als Sie unter ihren Fenstern weilten —“

„Unter ihren Fenstern — die Rose kam von Amalien?“ rief Jaromir, immer verwunderter und bestürzter. „Wahrhaftig, der Zufall treibt ein närrisch Spiel mit mir!“ und ein bittres und schmerzliches Lächeln zuckte dabei um seinen Mund.

Thalheim starrte ihn verwundert an — auch um seinen Mund zuckte ein bittres Lachen — er verstand jetzt Alles: der Graf hatte Amalien längst vergessen, und nicht um ihret Willen sah er leidend aus, nicht um ihret Willen war er in diese Stadt gekommen — aus andern zarten Händen hatte er gehofft, Rosen und geschriebene Worte zu empfangen, als aus ihren — es war der Selbstbetrug der Liebe, welcher Amaliens Herz und Sinne gefangen genommen. So sagte er jetzt sehr ernst, beinah feierlich zu Jaromir:

„Herr Graf, Amalie glaubt sich von Ihnen noch geliebt — schonen Sie die Sterbende, ohne sie zu täuschen — vergeben Sie ihr als ein milder, mitleidiger Richter.“ Er trat jetzt aus dem Vorsaal, in dem beide leise diese Unterredung

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[70/0080] „ich habe gar nicht gewußt, daß sie hier ist. —“ Thalheim sagte, mit einem langen Blick auf den Grafen: „Sie hat Ihnen eine Rose mit einem Zettel zugeworfen, als Sie unter ihren Fenstern weilten —“ „Unter ihren Fenstern — die Rose kam von Amalien?“ rief Jaromir, immer verwunderter und bestürzter. „Wahrhaftig, der Zufall treibt ein närrisch Spiel mit mir!“ und ein bittres und schmerzliches Lächeln zuckte dabei um seinen Mund. Thalheim starrte ihn verwundert an — auch um seinen Mund zuckte ein bittres Lachen — er verstand jetzt Alles: der Graf hatte Amalien längst vergessen, und nicht um ihret Willen sah er leidend aus, nicht um ihret Willen war er in diese Stadt gekommen — aus andern zarten Händen hatte er gehofft, Rosen und geschriebene Worte zu empfangen, als aus ihren — es war der Selbstbetrug der Liebe, welcher Amaliens Herz und Sinne gefangen genommen. So sagte er jetzt sehr ernst, beinah feierlich zu Jaromir: „Herr Graf, Amalie glaubt sich von Ihnen noch geliebt — schonen Sie die Sterbende, ohne sie zu täuschen — vergeben Sie ihr als ein milder, mitleidiger Richter.“ Er trat jetzt aus dem Vorsaal, in dem beide leise diese Unterredung

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/80>, abgerufen am 25.04.2024.