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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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So beherrschte er die Gesellschaft durch hundert Eigenschaften, vor welchen eben diese Gesellschaft sich bewundernd neigt. Es war ein neues Leben im Aeußern für ihn aufgegangen. Er war ein andrer Mensch geworden. Er huldigte jeder Modethorheit, jeder Grille, die in ihm aufstieg -- er war heute der dienstbare Sklave irgend einer schönen Frau, um sich morgen über sie lustig zu machen. Er ließ heute wirklich sein Herz und seine Sinne von irgend einer blendenden, weiblichen Erscheinung verführen, und morgen stand sie wieder vor ihm all' dieses Glanzes bar, den seine Phantasie um sie gewoben, und er wandte sich mit bitterm Lächeln ab. Er redete sich heute selbst ein, zu lieben und selig zu sein, wenn ein schönes Weib die Arme berauscht und berauschend um ihn schlang -- aber morgen verhöhnte er das eigne Gefühl und lös'te zürnend das raschgeknüpfte Band. Er achtete nicht darauf, daß wohl viel Thränen still um ihn flossen, daß manche Wange bleich ward, die er einst geküßt -- er hatte längst aufgehört, an das weibliche Herz zu glauben, was galten ihm da noch weibliche Thränen, Seufzer und Worte? -- Und sein eignes Herz blieb so leer und öde, wie eine Wüste, so hatte er ja das weibliche genannt. Er dachte nicht mehr an Amalien, die Erinnerung an sie war verloren. Nicht um den Gedanken an sie zu entfliehen, führte er ein zerstreuendes Leben -- ihr Bild erschien ihm schon lange niche mehr, sondern nur um

So beherrschte er die Gesellschaft durch hundert Eigenschaften, vor welchen eben diese Gesellschaft sich bewundernd neigt. Es war ein neues Leben im Aeußern für ihn aufgegangen. Er war ein andrer Mensch geworden. Er huldigte jeder Modethorheit, jeder Grille, die in ihm aufstieg — er war heute der dienstbare Sklave irgend einer schönen Frau, um sich morgen über sie lustig zu machen. Er ließ heute wirklich sein Herz und seine Sinne von irgend einer blendenden, weiblichen Erscheinung verführen, und morgen stand sie wieder vor ihm all’ dieses Glanzes bar, den seine Phantasie um sie gewoben, und er wandte sich mit bitterm Lächeln ab. Er redete sich heute selbst ein, zu lieben und selig zu sein, wenn ein schönes Weib die Arme berauscht und berauschend um ihn schlang — aber morgen verhöhnte er das eigne Gefühl und lös’te zürnend das raschgeknüpfte Band. Er achtete nicht darauf, daß wohl viel Thränen still um ihn flossen, daß manche Wange bleich ward, die er einst geküßt — er hatte längst aufgehört, an das weibliche Herz zu glauben, was galten ihm da noch weibliche Thränen, Seufzer und Worte? — Und sein eignes Herz blieb so leer und öde, wie eine Wüste, so hatte er ja das weibliche genannt. Er dachte nicht mehr an Amalien, die Erinnerung an sie war verloren. Nicht um den Gedanken an sie zu entfliehen, führte er ein zerstreuendes Leben — ihr Bild erschien ihm schon lange niche mehr, sondern nur um

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So beherrschte er die Gesellschaft durch hundert Eigenschaften, vor welchen eben diese Gesellschaft sich bewundernd neigt. Es war ein neues Leben im Aeußern für ihn aufgegangen. Er war ein andrer Mensch geworden. Er huldigte jeder Modethorheit, jeder Grille, die in ihm aufstieg &#x2014; er war heute der dienstbare Sklave irgend einer schönen Frau, um sich morgen über sie lustig zu machen. Er ließ heute wirklich sein Herz und seine Sinne von irgend einer blendenden, weiblichen Erscheinung verführen, und morgen stand sie wieder vor ihm all&#x2019; dieses Glanzes bar, den seine Phantasie um sie gewoben, und er wandte sich mit bitterm Lächeln ab. Er redete sich heute selbst ein, zu lieben und selig zu sein, wenn ein schönes Weib die Arme berauscht und berauschend um ihn schlang &#x2014; aber morgen verhöhnte er das eigne Gefühl und lös&#x2019;te zürnend das raschgeknüpfte Band. Er achtete nicht darauf, daß wohl viel Thränen still um ihn flossen, daß manche Wange bleich ward, die er einst geküßt &#x2014; er hatte längst aufgehört, an das weibliche Herz zu glauben, was galten ihm da noch weibliche Thränen, Seufzer und Worte? &#x2014; Und sein eignes Herz blieb so leer und öde, wie eine Wüste, so hatte er ja das weibliche genannt. Er dachte nicht mehr an Amalien, die Erinnerung an sie war verloren. Nicht um den Gedanken an sie zu entfliehen, führte er ein zerstreuendes Leben &#x2014; ihr Bild erschien ihm schon lange niche mehr, sondern nur um
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[51/0061] So beherrschte er die Gesellschaft durch hundert Eigenschaften, vor welchen eben diese Gesellschaft sich bewundernd neigt. Es war ein neues Leben im Aeußern für ihn aufgegangen. Er war ein andrer Mensch geworden. Er huldigte jeder Modethorheit, jeder Grille, die in ihm aufstieg — er war heute der dienstbare Sklave irgend einer schönen Frau, um sich morgen über sie lustig zu machen. Er ließ heute wirklich sein Herz und seine Sinne von irgend einer blendenden, weiblichen Erscheinung verführen, und morgen stand sie wieder vor ihm all’ dieses Glanzes bar, den seine Phantasie um sie gewoben, und er wandte sich mit bitterm Lächeln ab. Er redete sich heute selbst ein, zu lieben und selig zu sein, wenn ein schönes Weib die Arme berauscht und berauschend um ihn schlang — aber morgen verhöhnte er das eigne Gefühl und lös’te zürnend das raschgeknüpfte Band. Er achtete nicht darauf, daß wohl viel Thränen still um ihn flossen, daß manche Wange bleich ward, die er einst geküßt — er hatte längst aufgehört, an das weibliche Herz zu glauben, was galten ihm da noch weibliche Thränen, Seufzer und Worte? — Und sein eignes Herz blieb so leer und öde, wie eine Wüste, so hatte er ja das weibliche genannt. Er dachte nicht mehr an Amalien, die Erinnerung an sie war verloren. Nicht um den Gedanken an sie zu entfliehen, führte er ein zerstreuendes Leben — ihr Bild erschien ihm schon lange niche mehr, sondern nur um

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/61>, abgerufen am 24.04.2024.