Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

nannte. Eine kleine Anzahl elender Häuser umgaben sie, die meist von Fabrikarbeitern Herrn Felchners bewohnt waren.

Der Wasserdoctor machte nun Herrn von Waldow seine Aufwartung, um ihm die in allen öffentlichen Blättern pomphaft angekündigte Eröffnung seiner Wasserheilanstalt noch besonders mündlich anzuzeigen.

"Nun, das wird Leben und Gesellschaft in unsere Umgegend bringen," sagte der Rittmeister vergnügt. "Gesunde werden die Kranken begleiten, und vielleicht entwickelt sich noch ein ganz comfortables Leben in unsrer Nähe."

"Das wäre sehr schön!" stimmte seine Gemahlin ein. "Man brauchte dann nicht selbst in ein Bad zu reisen, wenn das Bad umgekehrt selbst zu uns kommt. Wie viel haben Sie schon Kurgäste, Herr Hofrath?

Diese naive Frage machte den langen Doctor ein Wenig verlegen, er sah vor sich nieder, scharrte mit dem Fuß, und sagte dann lispelnd: Bis jetzt ist nur ein kranker Herr da --" gleichsam aber als wolle er den für ihn niederschlagenden und beschämenden Eindruck dieser Antwort gänzlich vernichten, setzte er mit Nachdruck und Stolz hinzu: "aber es ist ein Engländer."

Der jüngere Waldow konnte sich des Lachens kaum erwehren, und brach jetzt heraus: "Wahrhaftig, nur ein Engländer ist es im Stande, in einem verlassenen deutschen

nannte. Eine kleine Anzahl elender Häuser umgaben sie, die meist von Fabrikarbeitern Herrn Felchners bewohnt waren.

Der Wasserdoctor machte nun Herrn von Waldow seine Aufwartung, um ihm die in allen öffentlichen Blättern pomphaft angekündigte Eröffnung seiner Wasserheilanstalt noch besonders mündlich anzuzeigen.

„Nun, das wird Leben und Gesellschaft in unsere Umgegend bringen,“ sagte der Rittmeister vergnügt. „Gesunde werden die Kranken begleiten, und vielleicht entwickelt sich noch ein ganz comfortables Leben in unsrer Nähe.“

„Das wäre sehr schön!“ stimmte seine Gemahlin ein. „Man brauchte dann nicht selbst in ein Bad zu reisen, wenn das Bad umgekehrt selbst zu uns kommt. Wie viel haben Sie schon Kurgäste, Herr Hofrath?

Diese naive Frage machte den langen Doctor ein Wenig verlegen, er sah vor sich nieder, scharrte mit dem Fuß, und sagte dann lispelnd: Bis jetzt ist nur ein kranker Herr da —“ gleichsam aber als wolle er den für ihn niederschlagenden und beschämenden Eindruck dieser Antwort gänzlich vernichten, setzte er mit Nachdruck und Stolz hinzu: „aber es ist ein Engländer.“

Der jüngere Waldow konnte sich des Lachens kaum erwehren, und brach jetzt heraus: „Wahrhaftig, nur ein Engländer ist es im Stande, in einem verlassenen deutschen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="169"/>
nannte. Eine kleine Anzahl elender Häuser umgaben sie, die meist von Fabrikarbeitern Herrn Felchners bewohnt waren.</p>
        <p>Der Wasserdoctor machte nun Herrn von Waldow seine Aufwartung, um ihm die in allen öffentlichen Blättern pomphaft angekündigte Eröffnung seiner Wasserheilanstalt noch besonders mündlich anzuzeigen.</p>
        <p>&#x201E;Nun, das wird Leben und Gesellschaft in unsere Umgegend bringen,&#x201C; sagte der Rittmeister vergnügt. &#x201E;Gesunde werden die Kranken begleiten, und vielleicht entwickelt sich noch ein ganz comfortables Leben in unsrer Nähe.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Das wäre sehr schön!&#x201C; stimmte seine Gemahlin ein. &#x201E;Man brauchte dann nicht selbst in ein Bad zu reisen, wenn das Bad umgekehrt selbst zu uns kommt. Wie viel haben Sie schon Kurgäste, Herr Hofrath?</p>
        <p>Diese naive Frage machte den langen Doctor ein Wenig verlegen, er sah vor sich nieder, scharrte mit dem Fuß, und sagte dann lispelnd: Bis jetzt ist nur ein kranker Herr da &#x2014;&#x201C; gleichsam aber als wolle er den für ihn niederschlagenden und beschämenden Eindruck dieser Antwort gänzlich vernichten, setzte er mit Nachdruck und Stolz hinzu: &#x201E;aber es ist ein Engländer.&#x201C;</p>
        <p>Der jüngere Waldow konnte sich des Lachens kaum erwehren, und brach jetzt heraus: &#x201E;Wahrhaftig, nur ein Engländer ist es im Stande, in einem verlassenen deutschen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0179] nannte. Eine kleine Anzahl elender Häuser umgaben sie, die meist von Fabrikarbeitern Herrn Felchners bewohnt waren. Der Wasserdoctor machte nun Herrn von Waldow seine Aufwartung, um ihm die in allen öffentlichen Blättern pomphaft angekündigte Eröffnung seiner Wasserheilanstalt noch besonders mündlich anzuzeigen. „Nun, das wird Leben und Gesellschaft in unsere Umgegend bringen,“ sagte der Rittmeister vergnügt. „Gesunde werden die Kranken begleiten, und vielleicht entwickelt sich noch ein ganz comfortables Leben in unsrer Nähe.“ „Das wäre sehr schön!“ stimmte seine Gemahlin ein. „Man brauchte dann nicht selbst in ein Bad zu reisen, wenn das Bad umgekehrt selbst zu uns kommt. Wie viel haben Sie schon Kurgäste, Herr Hofrath? Diese naive Frage machte den langen Doctor ein Wenig verlegen, er sah vor sich nieder, scharrte mit dem Fuß, und sagte dann lispelnd: Bis jetzt ist nur ein kranker Herr da —“ gleichsam aber als wolle er den für ihn niederschlagenden und beschämenden Eindruck dieser Antwort gänzlich vernichten, setzte er mit Nachdruck und Stolz hinzu: „aber es ist ein Engländer.“ Der jüngere Waldow konnte sich des Lachens kaum erwehren, und brach jetzt heraus: „Wahrhaftig, nur ein Engländer ist es im Stande, in einem verlassenen deutschen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/179
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/179>, abgerufen am 29.03.2024.