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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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Auch Pauline erhob sich, und sagte zu dem Vater: "Kann ich nun nicht mit Dir in Deine Stube gehen?"

"In mein Comptoir, Kind? Was wolltest Du dort?"

"Nein in Deine Stube, wo Du Dich aufhältst, wenn Du nicht arbeitest -- oder in die Wohnstube, wo wir noch oft zusammen sitzen und traulich plaudern werden!"

"Nun, wenn ich nicht mehr arbeite, bin ich in dieser Stube hier, es ist meine und Deine Wohnstube."

Die Magd räumte eben lärmend ab -- der Kutscher trat ein, und nahm aus einem an der Wand befestigten colossalen Schlüsselschrank ein Bund klirrender Schlüssel, mit dem er wieder hinausging, kurz nachher lief ein Factor stumm durch die Stube in das Zimmer neben an, holte da ein Buch heraus, und ging mit demselben unter dem Arm wieder zu derselben Thüre hinaus, durch welche er gekommen.

Dieses geschäftige, rücksichtslose und stumme, aber doch keineswegs stille Thun kam Paulinen so ungewohnt und wunderlich vor, und machte darum einen so unfreundlichen, ja verletzenden Eindruck auf sie.

"Das ist meine Wohnstube?" sagte sie deshalb befremdet zu dem Vater.

"Nun, nun," sagte er, "der glänzenden Stellung, welche Du einnehmen sollst, wird Nichts vergeben, wenn Du auch manchmal in einem weniger brillanten Zimmer bist.

Auch Pauline erhob sich, und sagte zu dem Vater: „Kann ich nun nicht mit Dir in Deine Stube gehen?“

„In mein Comptoir, Kind? Was wolltest Du dort?“

„Nein in Deine Stube, wo Du Dich aufhältst, wenn Du nicht arbeitest — oder in die Wohnstube, wo wir noch oft zusammen sitzen und traulich plaudern werden!“

„Nun, wenn ich nicht mehr arbeite, bin ich in dieser Stube hier, es ist meine und Deine Wohnstube.“

Die Magd räumte eben lärmend ab — der Kutscher trat ein, und nahm aus einem an der Wand befestigten colossalen Schlüsselschrank ein Bund klirrender Schlüssel, mit dem er wieder hinausging, kurz nachher lief ein Factor stumm durch die Stube in das Zimmer neben an, holte da ein Buch heraus, und ging mit demselben unter dem Arm wieder zu derselben Thüre hinaus, durch welche er gekommen.

Dieses geschäftige, rücksichtslose und stumme, aber doch keineswegs stille Thun kam Paulinen so ungewohnt und wunderlich vor, und machte darum einen so unfreundlichen, ja verletzenden Eindruck auf sie.

„Das ist meine Wohnstube?“ sagte sie deshalb befremdet zu dem Vater.

„Nun, nun,“ sagte er, „der glänzenden Stellung, welche Du einnehmen sollst, wird Nichts vergeben, wenn Du auch manchmal in einem weniger brillanten Zimmer bist.

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[126/0136] Auch Pauline erhob sich, und sagte zu dem Vater: „Kann ich nun nicht mit Dir in Deine Stube gehen?“ „In mein Comptoir, Kind? Was wolltest Du dort?“ „Nein in Deine Stube, wo Du Dich aufhältst, wenn Du nicht arbeitest — oder in die Wohnstube, wo wir noch oft zusammen sitzen und traulich plaudern werden!“ „Nun, wenn ich nicht mehr arbeite, bin ich in dieser Stube hier, es ist meine und Deine Wohnstube.“ Die Magd räumte eben lärmend ab — der Kutscher trat ein, und nahm aus einem an der Wand befestigten colossalen Schlüsselschrank ein Bund klirrender Schlüssel, mit dem er wieder hinausging, kurz nachher lief ein Factor stumm durch die Stube in das Zimmer neben an, holte da ein Buch heraus, und ging mit demselben unter dem Arm wieder zu derselben Thüre hinaus, durch welche er gekommen. Dieses geschäftige, rücksichtslose und stumme, aber doch keineswegs stille Thun kam Paulinen so ungewohnt und wunderlich vor, und machte darum einen so unfreundlichen, ja verletzenden Eindruck auf sie. „Das ist meine Wohnstube?“ sagte sie deshalb befremdet zu dem Vater. „Nun, nun,“ sagte er, „der glänzenden Stellung, welche Du einnehmen sollst, wird Nichts vergeben, wenn Du auch manchmal in einem weniger brillanten Zimmer bist.

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/136>, abgerufen am 25.04.2024.