Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen -- aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor -- die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: "Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern."

Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte -- diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich:

"Ich wünsche wohl zu schlafen!"

Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: "Gleichfalls."

Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen — aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor — die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: „Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.“

Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte — diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich:

„Ich wünsche wohl zu schlafen!“

Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: „Gleichfalls.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="125"/>
Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen &#x2014; aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor &#x2014; die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: &#x201E;Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.&#x201C;</p>
        <p>Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte &#x2014; diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich:</p>
        <p>&#x201E;Ich wünsche wohl zu schlafen!&#x201C;</p>
        <p>Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: &#x201E;Gleichfalls.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0135] Pauline sah sie verstohlen der Reihe nach an, wie sie hastig zulangten, und unbeschreiblich schnell aßen, mit Messer und Gabel auf Teller und Tisch klirrend. Es waren noch einige junge Leute unter ihnen — aber alle hatten mürrische, halbvertrocknete, theilnahmlose Gesichter, in deren Falten es war, als ob lauter Zahlen verzeichnet stünden. Dieses stumme Essen, wobei Keines auf das Andere Rücksicht nahm, Keines dem Andern irgend einen tischnachbarlichen Dienst erwieß, hatte für Paulinen etwas Befremdendes, Widerliches, ja es kam ihr sogar thierisch vor — die Stille bei Tische war ihr namentlich peinlich. Felchner ließ jetzt einige Weinflaschen die Runde den Tisch hinab machen, indem er dabei sagte: „Wir wollen die Ankunft meiner Tochter feiern.“ Das war das einzige Wort, womit er diese den Anwesenden vorstellte — diese machten als Antwort darauf einige hastige Bewegungen mit Schultern und Köpfen, Bewegungen, welche wohl dankende Verneigungen vorstellen mogten, schenkten sich ein, tranken aus, standen dann auf, schoben geräuschvoll die Stühle zurück, und indem Einer nach dem Andern zur Thüre hinausging, murmelte Jeder halb unverständlich: „Ich wünsche wohl zu schlafen!“ Der Fabrikherr und sein Sohn antworteten mit einem einzigen halbverschluckten: „Gleichfalls.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/135
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/135>, abgerufen am 19.04.2024.