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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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selbst -- aber die Armuth muß niederdrücken, ja vielleicht gar vernichten."

"Aber es ist auch ein Segen darin für die Andern," begann Pauline. "Siehst Du, wen Liebe unglücklich macht, den muß man es schon sein lassen -- aber wer durch Armuth unglücklich ist, dem kann man helfen -- darum freue ich mich darauf, wenn ich in das Vaterhaus komme, ich werde dort wohl den Armen, denen mein Vater Arbeit und Brod giebt, noch manche Wohlthat erzeigen können. Wenigstens soll dies mein Streben sein -- es wird dort in der friedlichen Einsamkeit mein Glück ausmachen. Die Gefährtinnen hier haben oft gesagt, daß ich mit ihnen Nichts gemein habe, daß ich zu den Niedriggeborenen gehöre -- so will ich es beweisen, daß es mein Stolz sein soll, eine Schwester dieser Armen zu sein."

Thalheim hatte mit einem schmerzlichen Lächeln diese naiven Worte eines unschuldigen Kindes angehört, welches es sich so leicht dachte, Elend zu lindern -- aber um so mehr rührte ihn diese edle kindliche Gesinnung, und indem er jetzt vortrat, sagte er:

"Pauline -- versprechen Sie es in die Hand Ihres Lehrers, niemals diesem edlen Vorsatz untreu zu werden -- versprechen Sie es mir, wenn nicht die Schwester, doch die Freundin der Armen und Niedriggeborenen zu sein, und niemals die schönen Regungen des Mitgefühls dadurch ersticken

selbst — aber die Armuth muß niederdrücken, ja vielleicht gar vernichten.“

„Aber es ist auch ein Segen darin für die Andern,“ begann Pauline. „Siehst Du, wen Liebe unglücklich macht, den muß man es schon sein lassen — aber wer durch Armuth unglücklich ist, dem kann man helfen — darum freue ich mich darauf, wenn ich in das Vaterhaus komme, ich werde dort wohl den Armen, denen mein Vater Arbeit und Brod giebt, noch manche Wohlthat erzeigen können. Wenigstens soll dies mein Streben sein — es wird dort in der friedlichen Einsamkeit mein Glück ausmachen. Die Gefährtinnen hier haben oft gesagt, daß ich mit ihnen Nichts gemein habe, daß ich zu den Niedriggeborenen gehöre — so will ich es beweisen, daß es mein Stolz sein soll, eine Schwester dieser Armen zu sein.“

Thalheim hatte mit einem schmerzlichen Lächeln diese naiven Worte eines unschuldigen Kindes angehört, welches es sich so leicht dachte, Elend zu lindern — aber um so mehr rührte ihn diese edle kindliche Gesinnung, und indem er jetzt vortrat, sagte er:

„Pauline — versprechen Sie es in die Hand Ihres Lehrers, niemals diesem edlen Vorsatz untreu zu werden — versprechen Sie es mir, wenn nicht die Schwester, doch die Freundin der Armen und Niedriggeborenen zu sein, und niemals die schönen Regungen des Mitgefühls dadurch ersticken

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[97/0107] selbst — aber die Armuth muß niederdrücken, ja vielleicht gar vernichten.“ „Aber es ist auch ein Segen darin für die Andern,“ begann Pauline. „Siehst Du, wen Liebe unglücklich macht, den muß man es schon sein lassen — aber wer durch Armuth unglücklich ist, dem kann man helfen — darum freue ich mich darauf, wenn ich in das Vaterhaus komme, ich werde dort wohl den Armen, denen mein Vater Arbeit und Brod giebt, noch manche Wohlthat erzeigen können. Wenigstens soll dies mein Streben sein — es wird dort in der friedlichen Einsamkeit mein Glück ausmachen. Die Gefährtinnen hier haben oft gesagt, daß ich mit ihnen Nichts gemein habe, daß ich zu den Niedriggeborenen gehöre — so will ich es beweisen, daß es mein Stolz sein soll, eine Schwester dieser Armen zu sein.“ Thalheim hatte mit einem schmerzlichen Lächeln diese naiven Worte eines unschuldigen Kindes angehört, welches es sich so leicht dachte, Elend zu lindern — aber um so mehr rührte ihn diese edle kindliche Gesinnung, und indem er jetzt vortrat, sagte er: „Pauline — versprechen Sie es in die Hand Ihres Lehrers, niemals diesem edlen Vorsatz untreu zu werden — versprechen Sie es mir, wenn nicht die Schwester, doch die Freundin der Armen und Niedriggeborenen zu sein, und niemals die schönen Regungen des Mitgefühls dadurch ersticken

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/107>, abgerufen am 18.04.2024.