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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.

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scherzen hören, wie elend er früher gelebt -- dadurch ist er den Leuten nur noch interessanter geworden."

"Leben Sie wohl," sagte jetzt Amalie schnell, indem sie vor ihrer Thüre stand, und deren Schloß hastig erfaßte, wie um sich daran zu stützen, "ich danke für Ihre Begleitung."

Sie öffnete schnell, ging hinein, verschloß die Thüre wieder hinter sich, und warf sich mit einem lauten. Schrei und krampfhaften Zucken auf ihr Bett.

Sie war allein.

Erst fühlte sie gar Nichts.

Dann kam sie nach und nach zum Gefühl, zum Gefühl eines einzigen riesenhaften Schmerzes.

Dann dachte sie über diesen Schmerz, über sein Entstehen, seine Ursachen, über Alles, was sie soeben erlebt, über Alles, was sie soeben gehört hatte.

Es schien ihr Alles plötzlich klar geworden: Jaromir hatte sie vergessen -- er war reich geworden, er lebte in einer andern, in der großen Welt, er dachte ihrer nicht mehr, er verachtete sie vielleicht jetzt, und prieß das Schicksal und ihre Untreue, die ihn vor einer Mesalliance bewahrt hatten. Er liebte Bella jetzt, wie einst sie, und war um Bella's willen hierher gekommen, um Bella's willen an diesem Hause vorübergegangen -- und sie hatte geglaubt, es sei das unerloschene Feuer der Liebe für sie selbst,

scherzen hören, wie elend er früher gelebt — dadurch ist er den Leuten nur noch interessanter geworden.“

„Leben Sie wohl,“ sagte jetzt Amalie schnell, indem sie vor ihrer Thüre stand, und deren Schloß hastig erfaßte, wie um sich daran zu stützen, „ich danke für Ihre Begleitung.“

Sie öffnete schnell, ging hinein, verschloß die Thüre wieder hinter sich, und warf sich mit einem lauten. Schrei und krampfhaften Zucken auf ihr Bett.

Sie war allein.

Erst fühlte sie gar Nichts.

Dann kam sie nach und nach zum Gefühl, zum Gefühl eines einzigen riesenhaften Schmerzes.

Dann dachte sie über diesen Schmerz, über sein Entstehen, seine Ursachen, über Alles, was sie soeben erlebt, über Alles, was sie soeben gehört hatte.

Es schien ihr Alles plötzlich klar geworden: Jaromir hatte sie vergessen — er war reich geworden, er lebte in einer andern, in der großen Welt, er dachte ihrer nicht mehr, er verachtete sie vielleicht jetzt, und prieß das Schicksal und ihre Untreue, die ihn vor einer Mesalliance bewahrt hatten. Er liebte Bella jetzt, wie einst sie, und war um Bella’s willen hierher gekommen, um Bella’s willen an diesem Hause vorübergegangen — und sie hatte geglaubt, es sei das unerloschene Feuer der Liebe für sie selbst,

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[91/0101] scherzen hören, wie elend er früher gelebt — dadurch ist er den Leuten nur noch interessanter geworden.“ „Leben Sie wohl,“ sagte jetzt Amalie schnell, indem sie vor ihrer Thüre stand, und deren Schloß hastig erfaßte, wie um sich daran zu stützen, „ich danke für Ihre Begleitung.“ Sie öffnete schnell, ging hinein, verschloß die Thüre wieder hinter sich, und warf sich mit einem lauten. Schrei und krampfhaften Zucken auf ihr Bett. Sie war allein. Erst fühlte sie gar Nichts. Dann kam sie nach und nach zum Gefühl, zum Gefühl eines einzigen riesenhaften Schmerzes. Dann dachte sie über diesen Schmerz, über sein Entstehen, seine Ursachen, über Alles, was sie soeben erlebt, über Alles, was sie soeben gehört hatte. Es schien ihr Alles plötzlich klar geworden: Jaromir hatte sie vergessen — er war reich geworden, er lebte in einer andern, in der großen Welt, er dachte ihrer nicht mehr, er verachtete sie vielleicht jetzt, und prieß das Schicksal und ihre Untreue, die ihn vor einer Mesalliance bewahrt hatten. Er liebte Bella jetzt, wie einst sie, und war um Bella’s willen hierher gekommen, um Bella’s willen an diesem Hause vorübergegangen — und sie hatte geglaubt, es sei das unerloschene Feuer der Liebe für sie selbst,

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/101>, abgerufen am 19.04.2024.